Frauen erobern eine Männerdomäne: Die Französin Stéphanie Frappart wird die erste Schiedsrichterin in der langen Historie der Fußball-WM sein.

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Salima Mukansanga aus Ruanda ...

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... und Yoshimi Yamashita aus Japan warten weiter, waren in Katar bisher nur als Linienrichterinnen im Einsatz.

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Alles hat irgendwann ein Ende. Sogar das lange Warten auf eine Schiedsrichterin bei einer Fußballweltmeisterschaft der Männer. Am dritten Spieltag war es so weit: Die Französin Stéphanie Frappart leitete als erste Frau ein WM-Spiel bei den Männern – und zwar Deutschlands finale Gruppenpartie gegen Costa Rica (4:2). Spät, aber doch hat sich der Weltfußballverband (Fifa) getraut und einen dräuenden Shitstorm gerade noch umschifft. "Ich hoffe, dass in der Zukunft die Auswahl der besten Schiedsrichterinnen für Männerturniere als etwas Normales wahrgenommen wird und nicht mehr als etwas Sensationelles", sagte Pierluigi Collina vor dem Turnier.

Es war ein blumiges Versprechen des Fifa-Schiedsrichterchefs. Aber so normal ist es für die Fifa offenbar noch nicht. Neben Frappart sind auch Salima Mukansanga aus Ruanda und Yoshimi Yamashita aus Japan für die WM nominiert, sie kamen bisher nur als Assistentinnen zum Einsatz. Nun darf also Frappart Geschichte schreiben, im 44. Spiel dieser WM. Die 38-Jährige gilt als beste Schiedsrichterin der Welt, hat das WM-Finale der Frauen sowie bei den Männern das Endspiel des französischen Pokals, Partien in der Ligue 1, der Champions League, der Europa League und der Nations League geleitet.

"Für mich sind eine starke Persönlichkeit und Gelassenheit die beiden wichtigsten Eigenschaften eines Schiedsrichters", sagte Frappart einmal französischen Medien. Frappart stammt aus dem Großraum Paris, machte neben ihrer Jugendkarriere als Fußballerin eine Schiedsrichterausbildung und konzentrierte sich bereits als 18-Jährige aufs Pfeifen. Es folgte ein steiler Aufstieg, der nun im WM-Debüt gipfelt.

Männlicher WM-Event

Fußball ist der populärste Sport der Welt. Die Schiedsrichter dagegen sind oft Hassfiguren, die taxfrei beleidigt und bedroht werden. Kritik aus dem Internet ignoriert Frappart grundsätzlich, in sozialen Netzwerken ist sie nicht aktiv. "Ich möchte da nicht in alles hineingezogen werden. Selbstkritik sollte das Ergebnis einer Analyse von Experten sein. Ich ziehe das Feedback von Leuten vor, die sich auskennen."

Bereits vor 15 Jahren hatte Joseph Blatter, längst entmachteter Präsident des Weltfußballverbandes, verkündet: "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich." Nun ja, wenn es um den schnöden Mammon geht, ist die Fifa sehr progressiv, in Sachen Gleichberechtigung hat es der Weltfußballverband nicht so eilig. Gianni Infantino hat zwar versprochen, Frauen im Fußball weiter nach vorne zu bringen, protegiert aber auch die jetzige WM in einem Emirat, in dem es um Frauenrechte nicht gut bestellt ist.

Der Eindruck, dass die WM in Katar trotz vieler weiblicher Fans aus dem Ausland eine Männer-Veranstaltung ist, hat sich bestätigt. Die 32 Teamchefs der WM-Teilnehmer, der Großteil der Betreuer, die prominenten Spitzenfunktionäre mit wenigen Ausnahmen wie Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura aus Senegal, einheimische Zuschauer – maskulin. 28 der 33 männlichen Schiedsrichter kamen bereits zu Turnierehren, ein Dutzend davon gar schon zweimal. Blieben die Schiedsrichterinnen bis dato in der Warteschleife aus Rücksicht auf den patriarchalisch strukturierten WM-Gastgeber Katar?

Die Pionierinnen

Kritik anderer Art kommt vom ehemaligen Profi-Schiedsrichter Urs Meier, er sieht eher strategische als fachliche Überlegungen bei der Fifa. Meier hält die für die WM nominierten Schiedsrichterinnen für zu schwach. "Ich habe in Europa 30 Schiedsrichter, die viel stärker sind als Frappart. Da nehme ich doch nicht die Nummer 31 oder 32 mit, wenn ich nur zwölf europäische Schiedsrichter nominieren darf", sagte der Schweizer in seinem "Urs-Meier-Podcast".

Dabei sind weibliche Referees im Männerfußball längst nichts mehr Ungewöhnliches. 2017 leitete die Deutsche Bibiana Steinhaus als erste Frau ein Spiel in der deutschen Bundesliga. Tanja Schett war Pionierin in Österreich (2008, zweite heimische Liga). Bereits im Jahr 2000 pfiff die Schweizerin Nicole Petignat das Bundesligamatch Sturm gegen Ried. Petignat, die wenige Jahre später auch als erste Frau ein Männer-Europacupspiel im Uefa-Cup leiten sollte, bekam Lob. Der damalige Sturm-Verteidiger Ranko Popovic bedankte sich am Ende der Partie mit einem Handkuss. (Florian Vetter, 1.12.2022)