Die deutschen Arbeitgeber suchen händeringend nach Fachkräften. Bald sollen mehr aus den Nicht-EU-Staaten kommen.

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Die Lücken sind groß. 1,8 Millionen offene Stellen zählt das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im dritten Quartal 2022. Und die Lage wird sich noch zuspitzen, wenn in den kommenden Jahren viele Beschäftigte der geburtenreichen Jahrgänge in Pension gehen.

Dann könnten bis 2035 in Deutschland sieben Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln weist seit Jahren auf den Fachkräftemangel in Deutschland hin.

Im Zwölf-Monats-Durchschnitt von Juli 2021 bis Juli 2022 sieht das IW eine "Fachkräftelücke" über alle Berufe hinweg von 537.923 offenen Stellen. Besonders betroffen sind Berufe in den Bereichen Sozialarbeit, Erziehung und Pflege. Zudem fehlt viel Personal im Handwerk und bei IT-Experten.

Nun will die deutsche Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP gegensteuern. Am Mittwoch hat das Kabinett in Berlin den Entwurf für gesetzliche Neuerungen beschlossen, damit Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern leichter nach Deutschland kommen können. "Deutschland braucht in Zukunft alle helfenden Hände und klugen Köpfe. Wir werden alle Register ziehen, die Potenziale im Inland zu heben", sagt der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Nicht nur im angestammten Beruf

Voraussetzung für die Zuwanderung von Nicht-EU-Ausländern sind bisher ein anerkannter Berufs- oder Hochschulabschluss und ein Arbeitsvertrag. Neu ist nun, dass diese Fachkräfte nicht nur in ihrem angestammten Beruf arbeiten dürfen: "Zukünftig wird eine anerkannte Qualifikation grundsätzlich zu jeder qualifizierten Beschäftigung in nichtreglementierten Berufen berechtigen", heißt es in dem Papier.

Geplant ist auch eine sogenannte Chancenkarte auf Grundlage eines Punktesystems. Zu den Auswahlkriterien können Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter gehören. Während der Arbeitsplatzsuche soll es die Möglichkeit einer zweiwöchigen Probebeschäftigung in Vollzeit geben.

Darüber hinaus soll eine Nebenbeschäftigung von 20 Stunden in der Woche zulässig sein. Dies soll "Drittstaatsangehörigen mit gutem Potenzial einen Aufenthalt zur Suche eines Arbeitsplatzes ermöglichen". Bei der sogenannten Blauen Karte EU, die hochqualifizierte Zuwanderer mit Hochschulabschluss beantragen können, sollen die Gehaltsschwellen sinken.

Zustimmung kommt von der Wirtschaft. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, erklärt: "Wir brauchen Menschen, die uns helfen, unseren Wohlstand in diesem Land zu bewahren." Zuwanderung allein reiche aber nicht aus, es müsse die Lebensarbeitszeit verlängert werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 30.11.2022)