Wem Unternehmen oder Immobilien wie hier am Wörthersee gehören, ist aufgrund verschachtelter Firmenkonstrukte oft unklar.

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Vermögende russische Oligarchen, die Sanktionen umgehen oder reiche Österreicher, die diskret in Unternehmen investieren: Wer Interesse daran hat, seine wahren Besitzverhältnisse zu verschleiern, hat es künftig ein Stück weit leichter. Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH 22.11.2022, C-37/20).

Demnach darf das Wirtschaftliche Eigentümer Register (Wiereg), das die wahren Eigentümerinnen und Eigentümer hinter verschachtelten Firmenkonstrukten aufdecken soll, künftig nicht mehr öffentlich einsehbar sein. Derzeit hat jedermann gegen eine Gebühr von ein paar Euro Zugang. Künftig soll das nur noch für Behörden und Personen gelten, die ein "berechtigtes Interesse" vorweisen können. Österreich folgte dem Urteil auf dem Fuß: Die öffentliche Registereinsicht ist bereits offline.

Grundlage des Wiereg, das weiter geht als das herkömmliche Firmenbuch, ist die fünfte Geldwäscherichtlinie der Europäischen Union. EU-Staaten werden darin verpflichtet, ein Register zu führen, das für jedermann und jederzeit öffentlich einsehbar ist. Kläger aus Luxemburg hatten sich vor dem EuGH allerdings wegen allzu viel Transparenz beschwert: Durch das Register werden Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Das setze die Betroffenen der "Gefahr von Erpressungen oder Entführungen" aus.

Die Richterinnen und Richter am EuGH folgten in ihrem Urteil nun diesem Argument: Die Regelung in der Geldwäscherichtlinie widerspreche den EU-Grundrechten auf Privatleben und Datenschutz. Die Auswirkungen völlig offener Register stünden "in keinem angemessenen Verhältnis" zum angestrebten Ziel von mehr Transparenz.

Rückschlag für NGOs?

Für die NGO Attac ist das Urteil ein "schwerer Rückschlag im Kampf gegen Steuerbetrug, Geldwäsche und Korruption". Der öffentliche Zugang zu Daten sei von "entscheidender Bedeutung, um schmutziges Geld aufzudecken". Je mehr Menschen Zugang haben, "desto effektiver ist ein derartiges Register", sagt David Walch von Attac. "Der EuGH ignoriert völlig die Tatsache, dass es gerade die kritische Öffentlichkeit und nicht die Behörden waren, die in der Vergangenheit große Skandale rund um Steuerbetrug und Geldwäsche aufgedeckt haben."

Aber ist die kritische Öffentlichkeit künftig tatsächlich vom Register ausgeschlossen? Dürfen Medien und NGOs nicht mehr darauf zugreifen? Und was gilt als "berechtigtes Interesse" an einer Registereinsicht, über die nun Behörden und Gerichte entscheiden?

Laut Sophie Schubert, Anwältin bei Baker McKenzie, ist die Definition des Begriffs schwierig. Laut EU-Recht darf sich das "berechtigte Interesse" jedenfalls nicht auf anhängige Verfahren beschränken. Damit dürfte präventive Arbeit von NGOs oder investigativer Journalismus miterfasst sein. Auch der EuGH hat der Presse und zivilen Organisationen, die in dem Bereich aktiv sind, ein berechtigtes Interesse an einer Einsicht zugesprochen, ergänzt Anwalt Ladislav Bulajcsik. So oder so bleibt jedoch die Hürde, dass der Zugang nicht mehr völlig frei ist.

Auf STANDARD-Anfrage heißt es aus dem Finanzministerium, dass geprüft werde, ob schon auf Basis der aktuellen Rechtslage eine Einsicht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gewährt werden kann. Geprüft werde auch, wie diese Einsicht organisatorisch gestaltet werden könne. Für nächste Woche werde eine Stellungnahme der Europäischen Kommission erwartet.

Einschränkungen bleiben

Attac fordert den EU-Rat und das EU-Parlament dazu auf, möglichst rasch Abhilfe zu schaffen, sodass Journalistinnen und Journalisten, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft wieder ein "uneingeschränkter Zugang" zu den Daten garantiert ist. Denkbar wäre eine Änderung der sechsten Geldwäscherichtlinie, die derzeit verhandelt wird.

Ganz ohne Einschränkungen wird es laut Schubert aber nicht mehr gehen. Schließlich stützt sich der EuGH in seiner Entscheidung direkt auf die EU-Grundrechtecharta. "Eine Nachbesserung kann deshalb nur durch die Beschränkung des Zugangs der öffentlichen Einsicht erfolgen", sagt die Rechtsanwältin.

Zufrieden waren Journalisten und NGOs mit dem Wiereg freilich nie. Das Register verspricht, die "kontrollierenden" Eigentümer hinter Firmen offenzulegen. Es gibt jedoch Lücken. So bleibt das Wiereg etwa außen vor, wenn der Eigentümer seine Firma gleichmäßig auf Strohmänner aufteilt, sodass niemand "kontrollierend" beteiligt ist. (Jakob Pflügl, 1.12.2022)