THC ist die mit Abstand populärste illegale Substanz. Aber auch härtere Drogen sind in Umlauf.

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Ihre Stimmung werde dadurch besser, die Gedanken heben ab, was sich vor ihren Augen abspielt, wird bunter. "Seit ein paar Wochen konsumiere ich fast täglich Ketamin", erzählt Lena*. "Ich erreiche Zustände, die man ohne Drogen nicht erreichen könnte", behauptet die 19-Jährige. "Ich fühle mich gut." Drogen gehören für die junge Frau seit Jahren am Wochenende dazu. "Irgendwo ist es sicher auch eine Flucht vor meinen eigenen Gedanken. Hauptsächlich macht es aber Spaß", sagt sie und schiebt damit verbundene Gefahren zur Seite. Der STANDARD hat mit ihr und Alex* anlässlich des Falls einer Jugendlichen, die beim Kauf von Drogen Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurde, über ihren Konsum gesprochen.

Viel unentdeckt

Es sei nicht pauschal zu beantworten, ob es während der Pandemie zu einem Anstieg des Drogenkonsums bei Jugendlichen gekommen sei, sagt Lars Schäfer, klinischer und Gesundheitspsychologe beim Suchthilfeverein Dialog. Mögliche Probleme ließen sich schwieriger identifizieren, da der Kontakt durch das Homeschooling eingeschränkt war.

Hat eine Schule den Eindruck, dass ein Jugendlicher illegale Substanzen konsumiert, muss sie diesen zu einer Abklärung bei einer Beratungsstelle schicken. "Diese Weisungen gab es während der Pandemie weniger bis fast gar nicht, weil der Kontakt nicht da war", sagt Schäfer. Und damit blieb wohl viel unbemerkt.

Benzos und Heroin

"Das Thema Drogen geistert lange in meinen Erinnerungen herum", erinnert sich Lena. Schon als Kind habe sie mitbekommen, wie Menschen in ihrem Umfeld – etwa Freunde oder Geschwister – konsumieren. Deshalb war sie schon in jungem Alter nicht abgeneigt, einmal eine Substanz zu probieren. "Mit 14 habe ich das erste Mal getrunken, das dann schnell jedes Wochenende und oft bis zur Besinnungslosigkeit." Nicht viel später entdeckte sie Cannabis. Freunde hatten einen Joint mit, und Lena wollte auch einen Zug nehmen. Bald wurde Gras neben Alkohol zum fixen Bestandteil bei Partys.

Mit 15, 16 wurde Lena experimentierfreudiger – zunächst mit Lachgas. "Aber wirklich nur zum Lachen, nicht zum Wegschießen", sagt sie.

Dann kam die Pandemie – und es "ging voll los". "Durch das Homeschooling hatte ich viel Zeit zum Totschlagen", erzählt sie. "Wir haben viel Party gemacht, und ich habe zum ersten Mal eine Reihe an Drogen probiert: Benzos, Koks, MDMA, GBL und zuletzt Ketamin." Mit 18 Jahren kamen psychedelische Substanzen wie Magic Mushrooms hinzu, später LSD. Zudem probierte Lena Heroin und Crystal Meth – "darauf bin ich nicht stolz", sagt sie.

An Ketamin hängt sie heute noch. "Ich konsumiere, was gerade da ist, meistens Gras, Ketamin und Benzos, notfalls auch Alkohol."

Drogen im Park

Auch Alex*, ein einstiger Schulkollege, begann während der Pandemie, chemische Drogen zu konsumieren. "Nach dem ersten Lockdown war ich in Parks unterwegs, vor allem Zwidemu und am Karlsplatz." Dort kam der 20-Jährige mit Drogen in Kontakt. Mit Zwidemu ist in Wien der Platz zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum gemeint. Heute haben beide Dealer, mit denen sie persönlich in Kontakt treten und – im Fall von Alex – sogar befreundet sind.

Mittlerweile kifft Alex täglich und trinkt jedes Wochenende Alkohol. Zudem variiert er wöchentlich seinen Drogenkonsum, etwa MDMA, Speed, Benzos und Psychedelika. Neue Substanzen interessieren ihn nicht mehr. Jede Droge gebe Alex etwas anderes: "Kiffen rundet für mich den Tag perfekt ab, LSD hilft mir, vergrabene innere Konflikte zum Vorschein zu bringen, Speed und MDMA helfen, das Wochenende weiter in die Länge zu strecken."

Monatlich gibt Alex bis zu 400 Euro für Drogen aus, Lena bisher 300 Euro, wobei sie nun hinunterschrauben muss, weil ihr erspartes Geld aufgebraucht ist. Grundsätzlich recherchieren die beiden im Netz vor der Einnahme einer Substanz, erzählen sie.

Faktor Depression

Vor allem unter jungen Menschen sind psychische Erkrankungen wie Depressionen im Zuge der Pandemie mehr geworden. Das spiele auch bei Drogenkonsum eine Rolle: "Oft ist er eine Bewältigungsstrategie, um mit den Belastungen umzugehen", sagt Psychologe Schäfer. Jenen, denen es schon vor der Pandemie nicht gutging, ging es während der Lockdowns noch schlechter.

Jugendlichen rät er, den eigenen Konsum zu reflektieren. "Konsum ist nicht gleich Konsum", sagt er. "Wie oft mache ich das, habe ich mich unter Kontrolle? Vernachlässige ich andere Aktivitäten? Will ich, oder muss ich?" Oft sei ein problematischer Konsum von außen schwierig zu beurteilen. Er rät, im Zweifel ein kostenloses Gespräch mit einer Beratungsstelle zu führen.

Kostenlose Beratung

Teilweise komme es auch vor, dass der eigene Konsum bagatellisiert werde. "Eltern müssen ihren Kindern kommunizieren, wie viel okay ist", sagt Schäfer. Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, und anderen Angehörigen rät er, in Kontakt mit den Jugendlichen zu treten und Sorgen zu formulieren. Wenn der Verdacht auf eine Abhängigkeit besteht, sei auch hier eine Abklärung ratsam. "Das ist kostenlos, unverbindlich – und wir unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht." (Muzayen Al-Youssef, 1.12.2022)