Die ungarische Regierung hat bekommen, was sie selbst provozierte: Die EU-Kommission verlangt den Stopp der Auszahlung von Fördergeldern in riesiger Dimension – zumindest bis auf Weiteres. Das geschieht zu Recht. Premierminister Viktor Orbán hatte genug Zeit, Reformvorhaben vorzulegen, die die Korruption wie die politische Einflussnahme auf die Justiz in seinem Land glaubwürdig beenden könnten. Eine Frist dafür hat er verstreichen lassen.

Viktor Orbán hatte genug Zeit, Reformvorhaben vorzulegen.
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Nun werden ihm die Daumenschrauben dort angesetzt, wo es am meisten wehtut: beim Geld. Es geht um Projekte aus Kohäsionsfonds, insgesamt 7,5 Milliarden Euro. Für von Budapest beantragte weitere 5,8 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds für Klimaschutz und Digitalisierung gibt es zwar grundsätzlich eine Genehmigung, aber die Auszahlung wird strikt an die Umsetzung von "Meilensteinen" zur Wiederherstellung eines unabhängigen Justizsystems geknüpft.

Jetzt müssen die EU-Finanzminister entscheiden, ob sie den Druck auf Ungarn weiterziehen oder sich von neuen Vetodrohungen aus Budapest einschüchtern lassen. Die Kommission lässt Orbán eine Tür offen, bescheinigte ihm, dass er erste richtige Schritte gesetzt habe. Aber es reiche noch nicht.

Orbán wird sich entscheiden müssen, ob er seinen Konfrontationskurs gegen EU-Regeln und -Partner fortsetzt oder Auflagen doch noch akzeptiert. Seit 2010 hat er es oft so gemacht: drohen, einlenken, kassieren. So könnte es wieder laufen. (Thomas Mayer, 30.11.2022)