Dreimal hat Nokia seit dem Comeback versucht, im High-End-Segment mitzumischen. Wirklich klappen wollte es aber weder mit dem Nokia 8 noch mit dem 8.1 oder mit dem 9. Das Experiment war offenbar auch nicht allzu rentabel, und so konzentrierte man sich fortan auf Einsteiger- und Mittelklasse. Auch das Nokia X30 5G, technisch gesehen das aktuelle Flaggschiff im Aufgebot der von HMD Global produzierten Handys, bildet da keine Ausnahme.

Um rund 520 bis 550 Euro Nennpreis liefert Nokia ein Midrange-Hardwarepaket, das außerdem drei Android-Updates und drei Jahre monatlich Sicherheitspatches bekommen soll. Alternativ ist das Gerät auch Teil des Aboservices "Circular", bei dem man mit Nachhaltigkeit punkten will. DER STANDARD hat das Smartphone getestet.

Gehäuse und Ergonomie

Das Gehäuse besteht aus Glas, Aluminium und einer Kunststoffrückseite, wobei das Metall zu 100 Prozent und der Kunststoff immerhin zu 65 Prozent aus dem Recycling stammen soll. Das Paket macht einen gut verarbeiteten Eindruck, die mattierte Rückseite ist unempfindlich gegenüber Fingerabdrücken und ähnlichen Verschmutzungen. Das X30 bringt eine IP67-Zertifizierung mit, ist also gegen Staub und unabsichtliche Ausflüge ins Wasser für bis zu 30 Minuten bei einem Meter Tiefe gerüstet.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Mit 158,9 x 73,9 x 8 Millimeter ist das Gerät einigermaßen lang, aber schlank und schmal genug, um zumindest den Großteil des Bildschirms noch einhändig nutzen zu können. Der Ein/Aus-Knopf und der untere Teil der Lautstärkewippe sind noch gut erreichbar, wer lauter schalten will, muss etwas Fingerakrobatik betreiben. Gleiches gilt für den recht weit unten platzierten Fingerabdruckscanner, der unter dem Display liegt und im Test zuverlässig funktionierte.

Wie bei vielen Smartphones steht die Hauptkamera mit einem eigenen "Bump" hervor. Dieser ist in Aluminium gehalten und leider derart geformt, dass das Handy ab Werk schief und wackelig zu liegen kommt. Da die Kameras dann doch rund drei Millimeter herausstehen, dürfte das auch eine Schutzhülle nur besser machen, aber nicht beheben. Eine solche liegt übrigens, so wie auch ein Ladegerät, nicht in der Verpackung. Ein USB-C-Ladekabel ist aber vorzufinden.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Display und Leistung

Als Bildschirm wurde ein AMOLED-Panel mit 6,4 Zoll Diagonale (2.400 x 1.080 Pixel) verbaut. Es bietet eine Bildwiederholrate von bis zu 90 Hz, allerdings keinen HDR-Support. Die maximale Helligkeit wird mit 700 Nits angegeben. Es lässt sich sagen, dass das Display auch im Sonnenlicht noch relativ gut ablesbar ist. Farben und Kontraste sehen ordentlich aus. Oben in der Mitte findet sich ein kleiner runder Ausschnitt für die Frontkamera.

Beim Prozessor hat man sich für Qualcomms Snapdragon 695 entschieden. Ihm werden je nach Variante entweder 6 GB RAM und 128 GB Onboardspeicher oder 8 GB RAM und 256 GB Onboardspeicher beigestellt. Es gibt noch einen weiteren Unterschied. Die – hier getestete – "kleinere" Variante mit 6/128 GB nutzt UFS-2.2-Speicher, während das 8/256-GB-Modell etwas schnelleren UFS-3.0-Speicher spendiert bekam. Einen Einschub für eine Micro-SD-Speicherkarte zwecks Erweiterung gibt es nicht.

Der achtkernige Snapdragon-Chip sitzt in Sachen Leistungswerte stabil in der Mittelklasse, was auch das Benchmarking des Nokia X30 bestätigt. Gängigen Apps von Browser bis hin zu Streaming ist das Handy dementsprechend ebenso gewachsen wie den meisten Games. Wer grafisch anspruchsvollere Kost wie "Diablo Immortal" genießen will, muss sich für ein flüssiges Erlebnis mit geringeren Details zufriedengeben. Unter Last erwärmt sich das Handy merklich, aber nicht auf ein unangenehmes Niveau.

Foto: DER STANDARD/Pichler

System und Ausstattung

Das Handy läuft aktuell noch mit Android 12 und zählt, gemeinsam mit anderen Nokia-Modellen, zu den letzten Vertretern des Android-One-Programms von Google. Dementsprechend aufgeräumt und Bloatware-frei – mit Ausnahme von Gopro Qik – ist das System begrüßenswerterweise. Bis auf gelegentliche, minimale Ruckler bei bildschirmfüllenden Systemanimationen (etwa Wechsel aus einem App-Fenster zum Startscreen) ist auch hier kein Performanceproblem zu finden.

Die weitere Bestückung des Smartphones ist ordentlich, aber nicht in jedem Punkt State of the Art. Das Handy beherrscht 5G und bietet zwei Nano-SIM-Slots, alternativ können auch eine Nano-SIM und eine E-SIM genutzt werden. Wifi 6 (802.11ax) ist an Bord, ebenso wie das nicht ganz aktuelle Bluetooth 5.1 und NFC. Auch FM-Radio kann über das Handy gehört werden, setzt aber voraus, dass man ein Headset, dessen Kabel dann auch als Antenne fungiert, an den USB-C-Port (USB 2.0) ansteckt. Eine 3,5-mm-Audioklinke bringt das Telefon nicht mit.

Kamera

Bei der Kamera setzt HMD auf ein duales Setup aus einem 50-MP-Weitwinkelsensor mit PDAF und optischer Bildstabilisierung sowie einem 13-MP-Ultraweitwinkel. Man verspricht das "bisher beste Pureview-Erlebnis", allerdings wird das Foto-Setup nicht so prominent in der Werbung platziert wie bei vielen anderen Herstellern.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Die Hauptkamera macht passable, aber nicht umwerfende Fotos. Die Ergebnisse bei Tageslicht sind auf den ersten Blick durchaus herzeigbar und Social-Media-tauglich, wenn auch die Farbgebung tendenziell etwas blass ist und der Himmel bei kontrastreichen Lichtverhältnissen teilweise "ausgeweißt" wird. Im Detail sieht man dann allerdings signifikanten Detailverlust bei kleineren Motivteilen, die weiter entfernt sind. Dazu hat das Postprocessing der Kamerasoftware die Angewohnheit, stärker nachzuschärfen, als gerade solchen Bildstellen guttut. Untertags reagiert die Kamera flott genug für die meisten Situationen, am Abend und in der Nacht schleicht sich jedoch eine spürbare Trägheit ein.

Der Ultraweitwinkelsensor ist sichtbar weniger lichtempfindlich als der Weitwinkelsensor, was sich beim Vergleich nicht nur in recht unterschiedlicher Farbgebung abbildet. Auch wenn es um Details geht, muss man Abstriche hinnehmen. Am Rand kommt es außerdem zu deutlichen Verzerrungen und chromatischer Aberration.

Der Nachtmodus hingegen funktioniert mit der Hauptkamera ordentlich. Motive werden mit – für die Verhältnisse des Weitwinkelsensors – viel Details erhalten. Feinere Texturen, etwa die Struktur von Hauswänden, verschwinden allerdings. Auch die Aufnahme gelingt erstaunlich flott, der Modus stützt sich offensichtlich weniger auf lange Belichtungszeit denn auf "Softwaremagie". Wer erstere Variante lieber mag, kann auch einen Stativmodus wählen. Der Nachtmodus kann allerdings den Effekt erzeugen, dass eine Szene im Endresultat nicht mehr wie eine Nacht, sondern eher wie ein Abend- beziehungsweise Dämmerungsfoto aussieht, was nicht jedem gefallen dürfte.

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Die Frontkamera nutzt einen 16-MP-Sensor mit Weitwinkelobjektiv. Fotos fallen hier farblich etwas intensiver und somit realistischer aus. Der Detailgrad ist passabel, die Erkennung des Vordergrunds im KI-gestützten Porträtmodus arbeitet fast immer zuverlässig. Die Fotoqualität ist bei Tageslicht durchaus auf dem Niveau eines 500-Euro-Handys. Unter Kunstlicht nimmt die Schärfe jedoch deutlich ab, es gesellt sich sichtbares Bildrauschen hinzu, und die Kantenerkennung beginnt mit Problemen zu kämpfen, was mit einem recht breiten, weichgezeichneten Rand kompensiert wird.

Akustik und Akku

In Sachen Akustik brilliert das Nokia X30 nicht. Für die direkte Soundausgabe des Handys gibt es einen Mono-Lautsprecher auf der Unterseite, der bis zu mittlerer Lautstärke für einen solchen akzeptabel klingt. Darüber hinaus schleicht sich ein immer stärkeres "Krachen" ein. Die Audioqualität beim Telefonieren ist immerhin ordentlich. Auch wenn es keine aktive Unterdrückung von Hintergrundlärm zu geben scheint, klingt dieser nur so leise durch, das man gut verstanden werden kann. Die Sprachqualität dabei ist mittelmäßig. Der Gesprächspartner ist laut und ausreichend deutlich zu hören.

Beim Akku hat sich HMD für 4.200 mAh Nennkapazität entschieden. Der relativ sparsame Prozessor sorgt dafür, dass man mit dem Handy auch bei intensiverer Verwendung mit ein paar Reserven durch den Tag kommt. Zwei Tage oder mehr dürfen sich aber nur sparsame User erhoffen. Schnellladen wird mit bis zu 33 Watt Leistung unterstützt, Wireless Charging ist nicht möglich.

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Circular

Wer das X30 nicht kaufen will, kann es auch bei HMD über das "Nokia Circular"-Abo mieten. Verlangt werden für dieses Modell 25 Euro monatlich für mindestens drei Monate. Im Gegenzug verspricht man, allerdings für eine "Wiederbeschaffungsgebühr" bestehend aus Versicherungsselbstbehalt und Versandkosten, schnellen Ersatz, sollte das Handy beschädigt oder gestohlen werden.

Zudem kann man nach der Mindestlaufzeit "jederzeit" auf ein neueres oder anderes Modell wechseln, allerdings gegen eine Gebühr, die im zweiten Jahr halbiert wird und ab dem dritten Jahr wegfällt. Funktionstüchtige, retournierte Geräte werden einer Datenlöschung unterzogen und wieder zum Abo-Einsatz gebracht. Geräte, die drei Jahre oder länger in Gebrauch waren, werden laut Nokia an eine Wohltätigkeitsorganisation gespendet. Beschädigte Handys wandern ins Recycling.

Allerdings sollen sich mit längerer Behaltedauer Spenden für den guten Zweck fördern lassen. Dazu "verdient" man halbjährlich "Seeds of Tomorrow"-Punkte, wobei die Belohnungshöhe über die ersten drei Jahre steigt. Diese lassen sich dann wiederum für Spenden an Umweltorganisationen einsetzen.

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Fazit

Auf dem Papier klingt das "Circular"-Modell nach einer durchaus sinnvollen Initiative. Ob die Umsetzung in der Praxis mithalten kann, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wer die "Seed"-Punkte ausreizen will und das X30 drei Jahre lang behält, zahlt dafür allerdings – selbst wenn die Leihgebühr bei älteren Geräten sinkt – erheblich mehr als bei einem Kauf.

Für rund 500 Euro Marktpreis ist allerdings auch eine direkte Anschaffung nicht leicht zu argumentieren. Klar, der für einen Midranger etwas längere Softwaresupport und die Nutzung recycelter Materialen mögen einen gewissen Aufpreis vielleicht rechtfertigen. Allerdings ist das in Sachen Nachhaltigkeit und Ethik überlegene Fairphone 4 aus dem Jahr 2021 mittlerweile in ähnlichen Preisgefilden angekommen.

Dazu dauert der Softwaresupport dafür noch mindestens vier Jahre an, und in puncto Hardware erhält man teilweise eine bessere Ausstattung und die Möglichkeit, den Akku und diverse Komponenten dank modularer Bauweise selbst zu tauschen. Einzig bei der Frequenz der Sicherheitsupdates ist Nokia klar voraus.

Vergleicht man das Nokia X30 mit "gewöhnlichen" Smartphones dieser Preisklasse, gibt es eine Fülle an Konkurrenten, die entweder um den Preis wesentlich bessere Hardware liefern – oder vergleichbare Ausstattung für deutlich weniger Geld. Für 300, vielleicht 350 Euro sähe das anders aus. So hat es ein an sich "solides" Smartphone allerdings recht schwer, sich für irgendeine Zielgruppe zu empfehlen. (Georg Pichler, 3.12.2022)

Testfotos

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Tageslicht.
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Frontkamera, Tageslicht.
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Frontkamera, Kunstlicht.
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Nachtmodus.
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Nachtmodus.
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