Der Sport ist im Ministerium gewissermaßen eine Baustelle. Vizekanzler Werner Kogler will den Durchblick behalten.

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Es war nicht das erste und wohl nicht das letzte Mal, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für Aufsehen gesorgt hat. Gut, mit der Anklageerhebung gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wegen schweren Betrugs hatte man rechnen müssen, aber dass neben ihr auch ein Spitzenbeamter des Sportministeriums angeklagt wird, kam dann doch überraschend – wohl auch für den zuständigen Ressortleiter Werner Kogler (Grüne). Der Sportminister und Vizekanzler ging jedenfalls am Mittwoch nicht auf STANDARD-Fragen zur Causa ein.

Es sind Fragen, die auf der Hand liegen, da sich ein Abteilungsleiter der Sektion Sport in Koglers Ministerium dem Vorwurf "wettbewerbsbeschränkender Absprachen" ausgesetzt sieht. Ihm drohen bis zu viereinhalb Jahre Haft. Das Höchstmaß liegt prinzipiell bei drei Jahren, Paragraf 313 des Strafgesetzbuchs sieht aber vor, dass es um die Hälfte erhöht werden kann, wenn es ein Beamter war, der die "mit Strafe bedrohte vorsätzliche Handlung unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit" beging.

Karmasin wird zum einen vorgeworfen, sie habe nach ihrer Zeit als Familienministerin eine Gehaltsfortzahlung bezogen, obwohl sie bereits wieder als Meinungsforscherin tätig gewesen sei und nachweislich gewusst habe, dass diese Doppelgleisigkeit nicht erlaubt war. Zum anderen habe sie sich mit zwei "Mitbewerberinnen" abgesprochen, um vom Sportministerium mit der Erstellung von Studien beauftragt zu werden. Zuvor hatte Karmasin die "Mitbewerberinnen" – eine davon die nunmehrige Kronzeugin Sabine Beinschab – dem Ministerium sogar selbst vorschlagen können.

Kontaktaufnahme

Spätestens da kommt auch der Abteilungsleiter ins Spiel. Dabei war der Beamte gar nicht Karmasins erster Kontakt im Ministerium, damals noch unter der Leitung Heinz-Christian Straches (FPÖ). Und es war auch nicht das Ministerium, das auf Karmasin zuging, weil es unbedingt eine Studie brauchte. Der erste Termin kam laut WKStA auf Betreiben Karmasins zustande, ihr gegenüber saß Philipp Trattner, der von Strache eingesetzte Leiter der Sektion Sport.

Trattner trat an den Abteilungsleiter ab. Und Karmasin erstellte zwei Studien für die Sektion Sport. Der erste Auftrag fiel noch in die Ära Strache, der zweite – nach einem Videodreh auf Ibiza – in die Ära Kogler. Da bei der "Motivanalyse Bewegung und Sport" (67 Seiten, 63.300 Euro) und bei der Studie "Frauen im Vereinssport" (44 Seiten, 26-seitiger Folder, 76.668 Euro) der Preis noch fünfstellig war, hatte sich das Ministerium eine Ausschreibung erspart. Vor einer Direktvergabe waren freilich laut interner Richtlinie drei Angebote einzuholen.

Preis und Wert

Der Wert der beiden Studien wurde später von Fachleuten stark in Zweifel gezogen. Ein dritter Auftrag ("Kinder im Vereinssport") kam, obwohl das Ministerium schon Angebote eingeholt hatte, nicht mehr zustande. Beinschab gab bei ihrer Einvernahme an, Karmasin habe sie "ersucht, Scheinangebote zu legen", um sicherzugehen, "dass ihr Angebot angenommen werden würde". Trattner wurde vom STANDARD schon im März zu den Vorgängen befragt, da sagte er, es entziehe sich seiner Kenntnis, wieso Karmasin ihre Mitbewerberinnen selbst nominieren konnte. "Es gibt ja auch Fachabteilungen. Es läuft nicht alles über die Sektionsleitung."

Ebenfalls im März hatte Kogler eine interne Revision angeordnet, um den Abläufen in der Sektion Sport nachzugehen. Laut Revisionsbericht wurden Verstöße "gegen interne Vorgaben", aber "keine groben Dienstpflichtverletzungen" festgestellt. "Mögliche Preisabsprachen waren weder dem Kabinett noch – nach derzeitigem Wissensstand – der Fachsektion bekannt."

Ob der Wissensstand nun vielleicht ein anderer ist, ließ Sportminister Kogler am Mittwoch ebenso unbeantwortet wie die Frage, in welcher Verantwortung er seinen Sektionschef Trattner sieht. Dem STANDARD teilte er mit, die bei der Staatsanwaltschaft angeforderte Anklageschrift sei "noch nicht eingetroffen", deshalb könne er "die Inhalte zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren".

Die Sachverhalte gegen Karmasin und den Abteilungsleiter des Sportministeriums sollen vor einem Schöffengericht am Landesgericht für Strafsachen Wien verhandelt werden. Beinschab, Trattner und weitere Sportministeriumskräfte sind als Zeugen geladen. (Fritz Neumann, 1.12.2022)