Im Gastblog zeigt Kurt Tutschek Fotografien von Frauen, die vor über 100 Jahren bei Burlesque-Aufführungen auftraten.

Heutzutage denkt man bei "Burlesque" vermutlich an eng geschnürte Korsetts, Netzstrümpfe und Striptease. Für die Männer und Frauen, die um 1880 im Theater Platz nahmen, war es jedoch etwas ganz anderes: Sie sehnten sich nach Ablenkung aus dem Alltag, die ein wenig den Anreiz des Verbotenen zu eigen hatte, aber es ihnen gleichzeitig ermöglichte, ihre bürgerliche Respektabilität zu demonstrieren. Dass es der Burleske gelang, diese konkurrierenden Anforderungen zu erfüllen, macht sie zu einer der bemerkenswertesten Formen der Unterhaltung im 19. Jahrhundert.

Der Begriff Burlesque wurde erstmals im italienischen Theater des 17. Jahrhunderts verwendet und steht für eine komische Einlage, die sich vom italienischen Wort "burla" ableitet, das Spott oder Schabernack bedeutet.

Die viktorianische Burleske, auch unter den Namen Travestie oder Extravaganza bekannt, ist ein Genre der Theaterunterhaltung, das im viktorianischen England und im New Yorker Theater ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgesprochen beliebt war. Dabei wurden bekannte Opern und klassische Theaterstücke in komische, oft auch erotisch-gewagte Aufführungen umgewandelt, die sich über die theatralischen und musikalischen Konventionen und Stile des ursprünglichen Werks lustig machten. So entstanden unter anderem Parodien von Shakespeare-Dramen und amüsante Kopien der Opern von Guiseppe Verdi.
Ursprünglich als kurze, einaktige Stücke konzipiert, wurden Burlesken später zu abendfüllenden Darbietungen, die einen Großteil oder das gesamte Programm eines Abends einnahmen.
Viele der männlichen Rollen wurden dabei von Schauspielerinnen als Hosenrollen gespielt, um die Beine der Frauen in Strumpfhosen zeigen zu können.

Die folgenden Fotos stammen aus den 1890ern, als das Genre bereits langsam an Popularität verlor. Sie geben jedoch einen schönen Einblick in die extravaganten, meist sehr knappen Kostüme, von denen nicht wenige für damalige Sehgewohnheiten wohl sehr gewagt waren.

Eliza Blasina im Pferdekostüm.
Foto: gemeinfrei
Clara Davenport zeigt (sehr viel) Bein.
Foto: Gemeinfrei
Miss Eliza Weathersby als Gabriel.
Foto: Gemeinfrei
Ella Chapman in glänzender Rüstung.
Foto: Gemeinfrei
Ida Florence – California Prize Beauty – als Statue.
Foto: Gemeinfrei

Der Tanz spielte in den Aufführungen eine tragende Rolle, großer Wert wurde auch auf Inszenierung und außergewöhnliche Kostüme gelegt. Auch akrobatische Einlagen und Spektakel wie Feuerschlucken sollten das Publikum begeistern. Auch sexuell anzügliche Dialoge, mit Wortspielen gespickter Humor und deftige Sketche trugen zum Amüsement bei. 
Dennoch galten Burlesque-Veranstaltungen nicht als skandalös, verachtenswert oder anspruchslos - es war vielmehr eine visuelle und darstellerische Kunstform, die es Frauen ermöglichte, Figuren und Geschichten zu kreieren, die mit der Populärkultur der viktorianischen Gesellschaft, literarischen Referenzen und dem Theater interagierten und in spielerischer Art darauf reagierten.

Miss Farrington auf der Pirsch.
Foto: Gemeinfrei
Dolly Adams
Foto: Gemeinfrei
Jennie Lee
Foto: Gemeinfrei
Josie Gregory in mexikanischem Kostüm.
Foto: Gemeinfrei
Leontine in zierlichen Ballettschuhen.
Foto: Gemeinfrei
Mademoiselle Conalba in gewagter Polizeiuniform (samt Schlagstock).
Foto: Gemeinfrei
Sylivia Gerrish, Waldfee mit spitzem Hütchen.
Foto: Gemeinfrei
Minnie Marshall und der sehnsuchtsvolle Blick in die Ferne.
Foto: Gemeinfrei
Nellie Page posiert im durchsichtigen Nachthemd.
Foto: Gemeinfrei
Pauline Hall in griechischem Stil.
Foto: Gemeinfrei
Verona Jabeau, Kerzenträgerin.
Foto: Gemeinfrei
Miss Murdock mit Pfeil und Bogen.
Foto: Gemeinfrei.

Eine spätere Verwendung des Begriffs Burlesque, insbesondere in den Vereinigten Staaten, bezieht sich hauptsächlich auf Darbietungen im Format einer Varietéshow. Diese waren seit den 1920ern bis zu den 1940er Jahren beliebt. In Kabaretts und Clubs sowie in Theatern bot man dem Publikum vor allem seichte Comedy und Striptease.
Doch auch heute zählen Burlesque-Shows auf vielen Bühnen zu den erfolgreichsten Veranstaltungen - verführerische Shows im Stile der großen Pariser Revuetheater Moulin Rouge oder Folies Bergère lassen die großen Tage der viktorianischen Burlesque-Abende wieder aufleben. (Kurt Tutschek, 3.12.2022)

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