Im Gastblog gibt die Elternratgeberin Barbara Buchegger Tipps zum Umgang mit der Trend-App BeReal

Frage: Meine Tochter (15) ist in letzter Zeit ständig am Handy, um ja kein BeReal zu verpassen. Was ist das schon wieder für ein neuer Trend? Muss ich mir Sorgen machen?

Barbara: Diese Frage stellen mir momentan viele Eltern. Immerhin wird BeReal gerade bei Jugendlichen im Alter Ihrer Tochter immer beliebter. Ihnen gefällt, dass es dabei nicht um perfekte Bilder geht: Anders als bei gängigen Sozialen Netzwerken wie Instagram sollen hier vor allem authentische Schnappschüsse aus dem Alltag geteilt werden – keine inszenierten Hochglanzfotos.

Mit BeReal sollen möglichst authentische Bilder geteilt werden. Was gibt es für Bedenken?
Foto: www.istockphoto.com/de/portfolio/hapabapa

Wie funktioniert BeReal?

Einmal täglich fordert die App zu einem zufälligen Zeitpunkt dazu auf, innerhalb von zwei Minuten einen Schnappschuss zu posten. So sollen möglichst spontane und ungestellte Bilder entstehen. Filter oder andere Bearbeitungsmöglichkeiten gibt es nicht: Die App nimmt zeitgleich jeweils ein Foto mit der Front- und Rückkamera des Handys auf, das nicht verändert werden kann. Am Posting sehen die anderen dann, was man gerade macht und wie man dabei aussieht.

Was Ihre Tochter an BeReal so faszinierend findet, ist also durchaus positiv: weniger Perfektionsdruck und ein ungefilterter Einblick in den Alltag ihrer Freundinnen und Freunde. Das hat seinen eigenen Reiz und fühlt sich echter an als in manch anderem Sozialen Netzwerk.

Was sollte man beachten?

Auch wenn es bei BeReal vordergründig weder um perfekte Fotos noch um möglichst viele Follower und Likes geht: Meiner Beobachtung nach ist es für viele Jugendliche hier sogar noch wichtiger als in anderen Sozialen Netzwerken, dass sie gut vernetzt sind und dass die richtigen Leute ihre Bilder – hier mit sogenannten "RealMojis" – kommentieren. Dadurch kann erst recht wieder der Druck entstehen, sich bestmöglich zu präsentieren und nur die spannenden und interessanten Facetten aus dem eigenen Alltag zu zeigen.

Stress verursachen kann auch der Drang, keinen Posting-Slot zu versäumen. Gepostet wird zwar bloß einmal am Tag – tut man das nicht rechtzeitig, wird das Foto allerdings mit "late" markiert. Wer keine Posting-Aufforderung verpassen und immer vorne mit dabei sein will, legt sein Handy also vielleicht nur ungern zur Seite. Das kurze Zeitfenster kann zudem gerade Jugendliche dazu verleiten, unbedacht allzu Privates preiszugeben oder unvorteilhafte Bilder zu teilen.

Bei aller Spontaneität sollte Ihre Tochter also immer vorher überlegen: Könnte mir dieser Schnappschuss später peinlich sein oder zu unangenehmen Konsequenzen führen? Sind darauf andere Personen zu sehen, die damit vielleicht nicht einverstanden sind? Immerhin zeigen die Alltagsbilder oft Verwandte, den Freundeskreis oder Fremde im Hintergrund – und die sollte Ihre Tochter vor der Veröffentlichung immer um Erlaubnis fragen, um nicht das Recht am eigenen Bild zu verletzen.

Jugendliche sind kompetenter, als wir glauben

Trotz aller Herausforderungen: Die Risiken bei der Nutzung von BeReal sind nicht größer als in anderen Sozialen Netzwerken. Wichtig ist, dass Ihrer Tochter bewusst ist, wie sie ihre Privatsphäre schützen und die App verantwortungsvoll nutzen kann.

Um Ihnen Ihre Sorgen hier ein Stück weit zu nehmen: Mein bisheriger Eindruck ist, dass viele Jugendliche diesen Spagat super meistern. Trotz aller Spontaneität achten sie zum Beispiel sehr darauf, dass der Bildhintergrund verschwommen ist oder posten eher unspektakuläre Motive, ohne private Details preiszugeben. Jugendliche haben bei der Einschätzung von Fotos oft viel bessere Kompetenzen, als wir Erwachsenen glauben!

Mein Tipp zum Schluss: Probieren Sie BeReal doch einmal selbst aus oder lassen Sie sich die App sogar von Ihrer Tochter erklären. So werden Sie nicht nur die Faszinationen dahinter besser verstehen, sondern auch die Risiken besser einschätzen können. Und wer weiß: Vielleicht macht es Ihnen am Ende ja sogar selbst Spaß! Denn im Gegensatz zu sehr schnellen Sozialen Netzwerken wie TikTok & Co ist BeReal auch etwas für uns Ältere – ganz ohne Videos und in einem Tempo, das wir selbst bestimmen können. (Barbara Buchegger, 5.12.2022)

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