Im Jänner startet die neue GAP-Förderperiode. Daten für ganz Europa ermöglichen jetzt den Vergleich, wer bisher am meisten profitiert hat.

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Bei kaum einem Streit in Brüssel geht es um so viel Geld. Entsprechend hoch gehen die Wogen, wann immer die Gemeinsame Agrarpolitik, kurz GAP, diskutiert wird. Über die kommenden fünf Jahre verteilt die EU insgesamt über 380 Milliarden Euro – an Landwirtinnen und Landwirte, aber genauso auch an Konzerne sowie an Investorinnen und Investoren. Mit der massiven Fördersumme soll die Landwirtschaft in Europa unterstützt werden – und der nachhaltige Landbau attraktiver werden.

Wer in Europa aber tatsächlich besonders profitiert, war bislang nur in einzelnen nationalen Registern einsehbar. Jetzt sind die Zahlungen erstmals in einer Datenbank zusammengefasst, die am Donnerstag im Rahmen des Farmsubsidy-Projekts veröffentlicht wurde, an dem DER STANDARD beteiligt ist. Die Daten dazu wurden in den vergangenen Jahren von Frag Den Staat in Kooperation mit Arena for Journalism in Europe gesammelt und nun in einem europaweiten Rechercheprojekt analysiert. Auch NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung sowie Correctiv, Irpi Media, Reporter.lu, Reporters United Greece, Expresso, Follow The Money und Gazeta Wyborcza arbeiteten an der Auswertung.

Sie zeigt: Europaweit nahm die Zahl der Empfänger im Laufe der Jahre ab. Immer weniger Empfänger – und demnach immer größere – erhalten immer höhere Summen. Immer häufiger profitieren Firmen und öffentliche Einrichtungen und immer weniger einzelne Landwirtinnen und Landwirte. Denn welcher Betrieb wie viel bekommt, hängt stark davon ab, wie viele Hektar er besitzt. Es gilt das Prinzip: Wer viel Fläche hat, bekommt viel Geld.

So erhielten die rund 17.000 Top-Empfänger, die obersten 0,1 Prozent, in der vergangenen Förderperiode zusammen knapp 70 Milliarden Euro – das sind ganze 15 Prozent der Gelder. Auf das oberste eine Prozent entfallen sogar über 35 Prozent – das entspricht insgesamt über 160 Milliarden Euro aus der öffentlichen Hand.

Die größten Empfänger in Österreich

Viele dieser Großempfänger sind in Spanien, Frankreich und Deutschland zu finden. Aber auch ein österreichischer Empfänger scheint in der Datenbank unter den Top-Empfängern auf: Die Marktordnungsstelle Agrarmarkt Austria. Sie bekam 2021 über 32 Millionen Euro, damit ist sie der EU-weit fünftgrößte Empfänger. Ein Grund dafür sei, dass es in Österreich im Vergleich zu den meisten Mitgliedsstaaten nur eine Zahlstelle gibt, daher erscheint dieser Betrag auf den ersten Blick recht hoch, so AMA-Sprecher Harald Waitschacher. Gemessen am Gesamtbetrag seien das nur knapp über 2,5 Prozent der Mittel, ergänzt Waitschacher. Damit finanziert sie die Abwicklung der Zahlungen der ländlichen Entwicklung.

Zu den kuriosen Empfängern zählt auch der Mobilfunkkonzern A1. Im Jahr 2020 hat er für den Breitbandausbau in ländlichen Regionen knapp zwei Millionen aus dem Agrartopf bekommen. Mit Blick auf die Flächenzahlungen finden sich in Österreich unter den größten Profiteuren auch Güter von Adelsfamilien wie Habsburg-Lothringen sowie dem Fürsten von Liechtenstein. Sie zählen zum obersten Prozent der Empfänger in Österreich, das knapp 16 Prozent der Mittel bekommt.

Insgesamt ist die Verteilung in Österreich etwas gleichmäßiger als im EU-Schnitt: Während die obersten zehn Prozent europaweit über 80 Prozent der Mittel bekommen, liegt der Anteil in Österreich bei knapp über 50 Prozent.

Zahnlose Umverteilung

Trotzdem werden landwirtschaftliche Betriebe auch in Österreich größer, wie die jüngste Agrarstrukturerhebung zeigt. Die Reform der GAP sollte die Situation verbessern – unter anderem mit einer neuen Umverteilung. Dazu werden unter anderem die Direktzahlungen anders gestaffelt: Statt den derzeit rund 288 Euro pro Hektar gibt es nur noch 208 Euro. Dafür bekommen Betriebe für die ersten zwanzig Hektar einen Aufschlag von 46 Euro. Auf die nächsten 20 Hektar gibt es dann 23 Euro extra.

Und auch von oben wird umverteilt: So bekommt die neue Subvention erstmals eine Obergrenze bei 100.000 Euro für die flächenbasierte Zahlung. Allerdings wurde die Grenze stark verwässert, kritisiert der EU-Abgeordnete Thomas Waitz (Grüne), der die Reform in Brüssel mitverhandelt hat. Nämlich dürfen Betriebe, die aufgrund ihrer hohen Hektaranzahl einen Zuschuss überhalb der der Obergrenze bekommen würden, Kosten für Angestellte oben draufschlagen. Damit werden die Kürzungen in Summe wohl gering ausfallen, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Länder wie Deutschland, Tschechien und die Slowakei hätten sich gegen eine striktere und einheitliche EU-weite Obergrenze gesperrt.

"Ein paar Details an der GAP konnten verbessert werden. Aber die große Umstellung, die eigentlich so dringend nötig wäre, ist nicht gelungen", resümiert Waitz. So hätte die Reform mit der Umverteilung eine unfaire Konkurrenz zwischen Großunternehmen, wie es sie etwa in den Niederlanden oder Osteuropa gibt, zu den kleinstrukturierten Betrieben in Österreich abschwächen können, sagt der Parlamentarier.

Auch bei einem weiteren Punkt sei die Reform nicht weit genug gegangen, sagt er weiter. So gibt es mit der neuen GAP zwar stärkere Konditionen, die Betriebe erfüllen müssen, um die Direktzahlungen überhaupt zu bekommen. Dazu zählt, dass alle Betriebe auf Feldern ab zwei Hektar mindestens sieben Prozent "Biodiversitätsflächen" anlegen müssen. "Wichtige Maßnahmen wie die Dreifelderwirtschaft, die sich doch über Jahrhunderte bewährt hat, sind jedoch nicht verankert worden", kritisiert Waitz.

Stärkung für die Umweltprogramme

Solche Maßnahmen gibt es jetzt in den sogenannten Eco-Schemes, oder Ökoregelungen, die jeder Mitgliedsstaat selbst festlegt und an denen Betriebe freiwillig teilnehmen können– gefördert wird dort zum Beispiel der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau, der Zwischenfruchtanbau oder der vorbeugenden Grundwasserschutz. Damit sind sie ähnlich wie die Umweltprogramme, die es in Österreich bereits gibt und die hierzulande stark angenommen werden: Über 80 Prozent der Betriebe nehmen teil.

Sie sollen grundsätzlich zu mehr Biodiversität, Umwelt-, Klima- und Tierschutz in der Landwirtschaft führen und Betriebe belohnen, die klima- und umweltfreundliche Praktiken umsetzen. Schützen Landwirte etwa Feucht- und Torfflächen oder diversifizieren sie ihren Anbau, können sie dafür zusätzliches Fördergeld erhalten. Nicht nur Gelder aus der zweiten Säule, auch 25 Prozent der Direktzahlungen sollen nun für solche Ökoregelungen bereitgestellt werden.

NGOs: Nur 19 Prozent der Ökoregelungen wirksam

Umweltverbände sehen die Umsetzung dieser Lösung aber kritisch. Schon im Vorjahr kamen die Organisationen Birdlife, WWF und das Europäische Umweltbüro (EEB) zu dem Schluss: Nur 19 Prozent der geplanten Ökoregelungen sind wirksam, um die EU-Umweltziele zu erreichen. 40 Prozent müssten erheblich verbessert werden, 41 Prozent seien komplett falsch ausgerichtet und mitunter kontraproduktiv, schreiben die Organisationen in einem gemeinsamen Bericht.

Außerdem dürften die Zahlungen, die landwirtschaftliche Betriebe aus den Programmen bekommen, in vielen Fällen derzeit niedriger seien als die Preise, die sie verlangen können, wenn sie schlicht mehr produzieren. "Wir hören aus anderen Mitgliedsstaaten, dass Betriebe aus den Ökoregelungen wieder aussteigen, weil sie mehr verdienen, wenn sie mit Dünger und Pestiziden arbeiten und verkaufen als sich an Eco-Schemes zu halten. In Österreich wird das Programm recht gut angenommen, aber auch hier gäbe es Möglichkeiten die finanziellen Mitteln höher auszustatten", sagt Waitz.

Neues Konzept gefordert

Noch ist die neue GAP nicht gestartet, schon werden die Rufe nach einer umfassenden Reform lauter – unter anderem im EU-Parlament. "Wir sollten die Agrarproduktion selbst nicht subventionieren. Dafür müssen wir stärker für zusätzliche Anforderungen an die Nachhaltigkeit zahlen, die der Markt nicht liefert", sagt der liberale EU-Abgeordnete Jan Huitema, der in den Niederlanden als Landwirt arbeitet. Es müsse eine klare Verbindung zwischen öffentlichen Geldern und öffentlichen Gütern geben, die Landwirtinnen und Landwirte bereitstellen. "Bei der jetzigen Subvention sehe ich diese Verbindung zu wenig", kritisiert er.

Bis 2027 wird die neue Förderperiode laufen. In drei Jahren soll eine Zwischenbilanz darüber gezogen werden, inwieweit die Maßnahmen wirken. Kritikerinnen und Kritiker des Fördermodells sind sich bereits einig: Die Überprüfung müsse ein Anlass sein, die nationalen GAP-Strategien weiter zu verbessern – und die Agrarpolitik insgesamt zu überdenken. (Alicia Prager, Florian Koch, 1.12.22)