Der Europäische Gerichtshof stoppt den öffentlichen Zugang zum Transparenzregister. NGOs wie Attac üben scharfe Kritik.

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Als Reaktion auf die Panama Papers zielte die EU-Gesetzgebung mit der fünften Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung darauf ab, die Transparenz des wirtschaftlichen und finanziellen Umfelds der EU durch die Schaffung der öffentlichen Einsicht in die Register der wirtschaftlichen Eigentümer zu verbessern.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte jedoch am 22. November 2022 in den verbundenen Rechtssachen C-37/20 und C-601/20 jenen Teil der erwähnten Richtlinie für ungültig, der die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften oder andere juristische Personen in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit der Urteilswirkung entbehren folglich auch die österreichischen Umsetzungsvorschriften im Wirtschaftlichen-Eigentümer-Registergesetz (WiEReG, seit 15. Jänner 2018 in Kraft) hinsichtlich der öffentlichen Einsicht jeglicher Grundlage. Das Finanzministerium hat bereits darauf reagiert und die Anwendung der öffentlichen Einsicht offline genommen.

Privatsphäre und Datenschutz

Ausgangsverfahren waren zwei Rechtsadressaten, die sich durch den öffentlichen Zugang in das luxemburgische Register der wirtschaftlichen Eigentümer einerseits einem unverhältnismäßigen Risiko von Vermögens- und Gewaltdelikten ausgesetzt und andererseits ihre Rechte auf Schutz des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 7 und 8 Charta der Grundrechte der EU) verletzt sahen.

Die Große Kammer des europäischen Höchstgerichts kam ebenfalls zur Ansicht, dass weitreichende Einsichtsrechte der Öffentlichkeit ohne Nachweis eines berechtigten Interesses – ein solches war nach der vierten Geldwäscherichtlinie noch nachzuweisen – einen erheblich schwereren Eingriff in die vorgenannten Grundrechte darstellt.

Einschränkungen bereits vorhanden

Zu beachten ist aber, dass die Einsichtsrechte der Öffentlichkeit bereits beschränkt waren. Der öffentliche (österreichische) WiEReG-Auszug enthielt beispielweise nicht die private Wohnanschrift des wirtschaftlichen Eigentümers. Nur die Träger von erhöhten Sorgfaltspflichten (zum Beispiel Banken, Notare, Rechtsanwälte usw.) haben weiterhin einen uneingeschränkten Zugang zum Wirtschaftlichen-Eigentümer-Register und können bzw. müssen im Zuge ihrer Geldwäscheprüfung einen "erweiterten" WiEReG-Auszug mit allen gemeldeten Daten des wirtschaftlichen Eigentümers ziehen.

Ferner musste man sich aus Identifikationszwecken bislang online registrieren, damit man einen öffentlichen WiEReG-Auszug ziehen konnte. Und überdies konnte die öffentliche Einsicht bei außergewöhnlichen Fällen, nämlich in denen der wirtschaftliche Eigentümer durch die offenzulegenden Informationen einem unverhältnismäßigen Risiko von Vermögens- und Gewaltdelikten ausgesetzt gewesen wäre, eingeschränkt werden. Bei Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen war kein solcher Risikonachweis erforderlich.

All diese Relativierungen der uneingeschränkten Einsicht erachtete der EuGH aber als nicht ausreichend, um die öffentliche Einsicht als grundrechtskonform zu qualifizieren.

Mit welchen Auswirkungen ist zu rechnen?

Eines vorweg: Dieses EuGH-Urteil zieht keine Änderungen der Sorgfalts- und Meldepflichten nach sich. Unter Hinweis auf die vom EuGH erkannte Grundrechtswidrigkeit stellte jedoch letzte Woche das Finanzministerium als die in Österreich zuständige Registerbehörde die Anwendung der öffentlichen Einsicht offline.

Ohne Zweifel wird die Entscheidung jedoch von vielen als Rückschritt im weltweiten Kampf gegen die Korruption angesehen werden. Das EuGH-Urteil arbeitet zwar viele Aspekte der öffentlichen Einsicht rechtsdogmatisch richtig auf. Dass es ausreicht, zwecks Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Einsicht in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer lediglich den Einrichtungen mit erhöhten Sorgfaltspflichten zu gewähren, ist jedoch realitätsfern. Nicht nur die Überlastung der behördlichen Kapazitäten im aktuellen Sanktionsumfeld, sondern auch konkrete Fälle (vor allem in Mitgliedsstaaten mit wenig ausgeprägtem Rechtsdurchsetzungsvermögen) zeigten in der Vergangenheit, dass es oft der investigativen Arbeit von Medien und NGOs zu verdanken war, dass Korruptionsmissstände ans Tageslicht gebracht wurden.

Vor dem Hintergrund des vom EuGH verlangten Datenschutzniveaus müsste man sich konsequenterweise die Frage stellen, ob beispielweise in Österreich die zwingende Anführung von GmbH-Gesellschaftern oder Liegenschaftseigentümern im öffentlich zugänglichen Firmen- bzw. Grundbuch samt entsprechenden persönlichen Daten der EU-Grundrechtecharta zuwiderläuft. Warum Personen, die sich komplexer Strukturen bedienen, im Unterschied zu einfachen Gesellschaftsstrukturen in die Gunst der Anonymität kommen sollten, ist nicht nachvollziehbar. (Sophie Schubert, Ladislav Bulajcsik, 1.12.2022)