Auch in Melbourne sorgte der Erfolg der Socceroos im fernen Katar für Euphorie – und dürfte den einen oder anderen Hangover nach sich gezogen haben.

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Mathew Leckie schoss Australien ins Achtelfinale.

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Sogar Lionel Messi hat plötzlich Respekt vor den Socceroos. Australien ein leichter Gegner? Da schüttelte der sechsmalige Weltfußballer nur den Kopf. "Jeder kann hier gegen jeden gewinnen. Das haben wir schon am eigenen Leib zu spüren bekommen", sagte Argentiniens Kapitän nach dem Einzug ins Achtelfinale und erinnerte an die peinliche Pleite der Albiceleste gegen Saudi-Arabien zum Auftakt seiner fünften WM.

Einmal erst hat Messi, der sei Mittwoch mit 22 Weltmeisterschaftsspielen Diego Maradona hinter sich ließ und alleiniger Rekordler ist, in seiner unfassbaren Karriere gegen die ewigen Underdogs aus Down Under gespielt. 2007 war das, Argentinien gewann im Melbourne Cricket Ground in aller Freundschaft und glanzlos mit 1:0.

Nun steht die Nummer 38 der Weltrangliste mit ihrem unverhofften Helden Mathew Leckie dem großen Messi beim Griff nach dem ersten WM-Titel im Weg. "Jetzt beginnt die WM erst richtig", sagte Messi vor dem K.-o.-Spiel am Samstagabend.

Das gilt auch für Australien. Erst zum zweiten Mal in der WM-Geschichte steht das Land, in dem Fußball hinter Cricket, Australian Football und Rugby maximal die vierte Geige spielt, in einem Achtelfinale. 2006 hatte es in Kaiserslautern ein ganz bitteres 0:1 gegen den späteren Weltmeister Italien durch einen höchst umstrittenen Elfmeter in der Nachspielzeit gegeben.

Vorbild Leicester City

Nun soll es eine Runde weiter gehen – mindestens. "Leicester City hat vor ein paar Jahren die Premier League gewonnen. Kroatien stand 2018 im Finale. Wir spielen am Samstag Elf gegen Elf, im Fußball ist alles möglich", sagte Milos Degenek. Der Verteidiger des US-Klubs Columbus Crew klang dabei fast wie Messi.

Daheim in Australien ist derweil die Hölle los. "Können die Socceroos die WM gewinnen? Natürlich klingt das lächerlich. Aber warum soll man die Frage nicht laut aussprechen, nur um zu hören, wie das klingt?", schrieb der Sydney Morning Herald. Für den australischen Daily Telegraph würden die Socceroos nach einem Sieg gegen Argentinien sogar "auf einer Stufe mit Ian Thorpe und Cathy Freeman" stehen. Die Aborigine Freeman lief 2000 bei den olympischen Heimspielen in Sydney zu Gold über 400 Meter. "Thorpedo" schwamm fünf olympische Goldmedaillen, drei davon in Sydney, und elf Weltmeistertitel zusammen.

Anderer Maßstab

Die Fußballer nehmen allerdings lieber an den Rugby-Göttern der Wallabies Maß. Sie haben Australien die Weltmeistertitel 1991 und 1999 besorgt. Früher brauchten die Wallabies Argentinien als Gegner nicht zu fürchten – 38 Siegen stehen nur sieben Niederlagen gegenüber, allerdings ging die letzte Partie im August mit 17:48 verloren.

Im Fußball steht es bei einem Remis 5:1 für Argentinien. Den australischen Coach Graham Arnold ficht das nicht an. Der Einzug ins Achtelfinale stehe erst am Anfang eines Weges. "Vielleicht sprechen wir von einer neuen goldenen Generation." Arnold spielte damit auf die erste goldene Generation um Tim Cahill an, die 2006 bei der WM in Deutschland für Furore gesorgt hatte. Arnold: "Die Jungs 2006 haben vier Punkte geholt, wir sogar sechs."

Die Begeisterung in Down Under sei seinem Team ein besonderer Ansporn. "Die Socceroos sind ein Team, dass die Nation vereint. Ich bin so glücklich, dass wir Lächeln auf die Gesichter der Menschen zaubern konnten."

Der 59-Jährige vermutet, dass die Erfolge nicht wenige Hangovers zur Folge haben könnten. Seiner Mannschaft erteilte er dagegen ein striktes Partyverbot. "Schlaf und keine Social Media" sei die beste Vorbereitung auf Argentinien. (sid, red, 1.12.2022)