Werner Kogler schießt in der Causa Karmasin nicht aus der Hüfte.

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"Das Sportministerium hat nach Bekanntwerden der Tatsache, dass ein Mitarbeiter angeklagt wurde, die Anklageschrift bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angefordert. Bis diese eingetroffen ist, können die Inhalte nicht kommentiert werden." Das ist der Status quo. Vizekanzler Werner Kogler, zuständig für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, hat nicht aus der Hüfte geschossen, nachdem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht nur gegen die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin Anklage erhoben hatte, sondern auch gegen einen Abteilungsleiter in der Sektion II (Sport) in Koglers Ministerium.

Ihr wird schwerer Betrug vorgeworfen (Strafrahmen drei Jahre Haft), ihm wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Dafür drohen ihm sogar bis zu 4,5 Jahre Haft, weil das Gesetz Beamte in einer besonderen Verantwortung sieht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Das muss nicht heißen, dass Kogler, sobald er sich die Anklageschrift zu Gemüte geführt hat, keine Schritte setzt. Er selbst würde von "weiteren Schritten" reden, schließlich hat die Causa Karmasin im Sportministerium schon im Frühjahr zu Konsequenzen geführt. Da waren jene Vorgänge im und um das Ministerium, die nun in Anklagen mündeten, ruchbar geworden, woraufhin Kogler eine interne Revision angeordnet hatte. Diese kam in einem Sonderbericht "zum Schluss, dass gegen interne Vorgaben zur Auftragsvergabe und zum Genehmigungsverfahren des Ministeriums verstoßen wurde".

Schlimm genug, wenn auch noch nicht alles, wie sich nun gezeigt hat. Freilich behielt sich Kogler schon im Mai "weitere dienstrechtliche Maßnahmen vor, sollten laufende Ermittlungen einen weiteren Erkenntnisgewinn bringen". So oder so habe schon die Revision "unmittelbar zu Konsequenzen für die gesamte Sportsektion geführt".

Schärfere Regeln

Kogler, das lässt sich sagen, nahm die Sektion an die Kandare. Die Vergabe aller externen Dienstleistungen (Studien, Gutachten, Beratungsleistungen) durch die Sportsektion muss seit Mai 2022 von der Präsidialsektion genehmigt werden – unabhängig von der Höhe des Betrags. Zudem seien die internen Regelungen "zur weiteren Stärkung der Objektivität der Direktvergabeverfahren weiter verschärft" worden. Soll heißen: "Alternativangebote von unterschiedlichen Anbieter:innen dürfen – auch unterhalb der vergaberechtlichen Grenzen – nie auf Empfehlung anderer Anbieter:innen eingeholt werden."

Dass sich das von selbst verstehen sollte, möchte man meinen. Dass es sich nicht von selbst verstand, zeigte der Fall Karmasin. Zur Erinnerung: Die frühere ÖVP-Familienministerin war laut WKStA von sich aus mit dem Sportministerium, als dieses noch unter Heinz-Christian Straches (FPÖ) Leitung stand, und Sektionschef Philipp Trattner in Kontakt getreten. Sie suchte die Zusammenarbeit, sie wollte beauftragt werden. Trattner hat Karmasin dann laut WKStA dem Abteilungsleiter "vorgestellt und empfohlen". In weiterer Folge wurde die Erstellung von Studien vereinbart, und Karmasin selbst nominierte zwei "Mitbewerberinnen", um deren Angebote dann "auszustechen". Kostenpunkt insgesamt: 140.000 Euro. Der Wert der Studien wurde von Fachleuten später stark in Zweifel gezogen.

Im Sommer 2021 wurde Karmasin ein drittes Mal von der Fachabteilung im Sportministerium zu einer Angebotslegung eingeladen. Diese Studie ("Kinder und Jugendliche im Vereinssport") kam nicht mehr zustande, weil das Sportministerium da schon genauer hinsah. "Die Präsidialsektion hatte Zweifel an der Notwendigkeit, sah die vergaberechtlichen Voraussetzungen als nicht erfüllt an und stoppte den Prozess", heißt es aus dem Ministerium. Dazu kam eine Hausdurchsuchung, die Anfang Oktober 2021 bei Karmasin stattfand. Tags darauf teilte sie dem Sportministerium mit, dass sie ihr Angebot für die dritte Studie "aus Kapazitätsgründen" zurückziehe.

Für die Anklage macht das kaum einen Unterschied, weder in Karmasins Fall noch in jenem des Abteilungsleiters im Sportministerium. (Fritz Neumann, 1.12.2022)