Zadić zeigte sich erfreut, dass Schritte für die menschenrechtskonforme und treffsichere Unterbringung psychisch kranker Rechtsbrecher gesetzt werden.

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Wien – Die Reform des Maßnahmenvollzugs kann im Dezember vom Nationalrat beschlossen werden. Der Justizausschuss hat den von Ministerin Alma Zadić (Grüne) vorgelegten Entwurf am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne plenarreif gemacht. Zadić freute sich, dass nun der "erste Meilenstein" für die menschenrechtskonforme und treffsichere Unterbringung psychisch kranker Rechtsbrecher gesetzt wird.

Jetzt sei "die nächste Hürde überwunden" – und mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Jahr 2023 werden "50 Jahre Stillstand zu Ende" sein, sagte die Ministerin gegenüber der APA. Die Reform bringe endlich "klare und gerechte Voraussetzungen, damit nur mehr tatsächlich gefährliche Personen im Maßnahmenvollzug untergebracht werden". Bisher werde nicht unterschieden zwischen einem psychisch kranken Jugendlichen, der einen Gerichtsvollzieher schubst, und einem schweren Gewalttäter. Dafür sei Österreich zu Recht von Experten kritisiert worden.

Erhöhung der Strafschwellen

Neben einer allgemeinen Anhebung der Strafschwellen wird es für Jugendliche künftig eigene Regelungen geben, zudem werden im Gesetzestext künftig neutralere und weniger stigmatisierende Formulierungen verwendet, umriss Zadić den Inhalt der von ihr ausverhandelten Neuerungen.

Der Kern der Reform ist die Erhöhung der Strafschwellen für Anlasstaten. Psychisch kranke Rechtsbrecher können nur mehr dann potenziell lebenslang in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn das Anlassdelikt mit mehr als drei Jahren (bisher: ein Jahr) Freiheitsstrafe bedroht ist – bei Gefahr für sexuelle Integrität oder Leib und Leben schon ab einem Jahr. Anders als bisher gelten für die Einweisung Jugendlicher noch höhere Schwellen: Sie sollen künftig erst bei einem Kapitalverbrechen, also ab zehn Jahren Strafdrohung, in den Maßnahmenvollzug kommen.

Die relevanten Prognosetaten bei Unterbringung im Maßnahmenvollzug waren bisher gefährliche Drohung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Sie kommen mit der Reform nicht mehr als rechtliche Grundlage in Betracht, erläuterte Zadić – die im Ausschuss auch berichtete, dass der zweite Teil der Reform in Ausarbeitung sei.

SPÖ: "Kosmetische Reform"

Mit dem ersten Teil war die Opposition nicht zufrieden, sie stimmte geschlossen dagegen. Zadić sei da "leider kein großer Wurf gelungen", in der Praxis werde sich relativ wenig ändern, "das Gesamtproblem wird nicht gelöst", meinte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung.

Schon 2015 sei die Reformkommission zu dem Schluss gekommen, dass zwei Drittel der (aktuell mehr als 1.400) Insassen zu Unrecht im Maßnahmenvollzug untergebracht seien. "Das sind erschütternde Zahlen, eine kosmetische Reform wird zur Behebung dieser Missstände nicht reichen", meinte Yildirim. Sie vermisse ein ausreichendes Therapieangebot samt den nötigen forensisch-therapeutischen Zentren oder eine Konkretisierung der Terrorismus-Bestimmungen.

FPÖ fürchtet um Sicherheit

Auch aus Sicht von Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter ändert der Regierungsentwurf nichts an der Grundproblematik. Er verwies vor allem auf das Problem, dass viele wegen unzulänglicher psychiatrischer Gutachten ungerechtfertigt im Maßnahmenvollzug angehalten würden. Margreiter plädierte deshalb für "Mindeststandards der Befundaufnahme" und die Möglichkeit für Betroffene, eine Zweitbegutachtung einzufordern.

Anders als SPÖ und Neos befürchtetet die FPÖ, dass die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt wird. Justizsprecher Harald Stefan missfiel speziell, dass Jugendliche im Maßnahmenvollzug nach spätestens 15 Jahren freikommen sollten, ungeachtet ihres Gefährdungspotenzials. Zudem fehle es an Einrichtungen für eine sichere Anhaltung psychisch kranker Rechtsbrecher, sagte Stefan. Er behauptete, dass Psychiatrien kaum darauf vorbereitet seien. (APA, red, 1.12.2022)