Die schnellere Vergabe von Arbeitsbewilligungen oder Arbeitsvisa auf Zeit könnte beim Kräftemangel helfen.

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Aktuell sind laut Arbeitsmarktservice (AMS) 330.454 Personen arbeitslos oder in Schulung. Damit liegt die Arbeitslosenquote bei 6,2 Prozent. Angesichts des niedrigsten Novemberwerts seit 15 Jahren bleibt die Lage in vielen Branchen aufgrund Arbeitskräftemangels angespannt. So meldete das AMS für November 12,3 Prozent mehr offene Stellen als im Vorjahr.

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien sieht in der Zuwanderung eine Chance für den österreichischen Arbeitsmarkt. Um diese wahrzunehmen, fordert sie aufgrund des anlaufenden demografischen Wandels mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten für Arbeitsmigranten.

25 Prozent haben Probleme bei der Arbeitssuche

Die Ergebnisse einer Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria für das Jahr 2021 zeigen, dass ein Viertel der im Ausland geborenen 15- bis 64-Jährigen bei der Suche nach einer passenden Arbeit mit Problemen konfrontiert ist. Obwohl für 43,6 Prozent der Zugewanderten das Hauptproblem unzureichende Deutschkenntnisse seien, sagten 16,8 Prozent, dass sie keine ihren Qualifikationen entsprechende Arbeit fänden. Für 15,2 Prozent stelle die fehlende Anerkennung ihrer ausländischen Bildungsabschlüsse das größte Hindernis dar.

Für 8,9 Prozent sind es fehlende Arbeitsbewilligungen oder ihre ausländische Herkunft. Es brauche daher eine Diversifizierung der Einreisemöglichkeiten, sagt Kohlenberger. Denn oft kämen Personen in die Asylschiene, obwohl sie dort nicht hingehörten.

Herausforderung der Ausbildungsanerkennung

Rund ein Fünftel der befragten Zuwanderer habe Deutsch als Muttersprache. Mehr als ein Drittel beherrsche die deutsche Sprache fließend und ein Viertel in fortgeschrittenem Ausmaß. Mehr als ein Fünftel gab an, lediglich Grundkenntnisse oder weniger zu haben. Aber: Viele Migranten mit guten Sprachkenntnissen scheitern an der Anerkennung im Ausland erworbener Bildungsabschlüsse.

"Es braucht pragmatische Lösungen", sagt Kohlenberger. Laut Mikrozensuserhebung der Statistik Austria haben fast drei Viertel der Personen im erwerbsfähigen Alter ihre Ausbildung im Ausland abgeschlossen. Deshalb sollte das Verfahren der Anerkennung erleichtert werden, betont die Migrationsforscherin. 13,3 Prozent der Befragten stellten einen Antrag auf Anerkennung in Österreich: Nur bei jedem Zehnten von ihnen wurden die Zeugnisse anerkannt. Die große Mehrheit von 86,7 Prozent der Migranten stellte gar keinen Antrag.

Mehr Flexibilität

"Je durchlässiger die Grenzen, desto eher gehen die Leute wieder zurück, weil sie wissen, dass sie im Notfall wieder hereinkommen", betont die Migrationsforscherin und plädiert für Modelle einer zirkulären Migration, also eines Arbeitsvisums auf Zeit. In anderen europäischen Ländern seien Gastarbeiterverträge wieder im Kommen.

Auch der ÖVP-Wirtschaftsbund zeigt sich über 223.249 vermerkte offene Stellen besorgt. "Die Situation ist dramatisch, es steht mittlerweile die Zukunft unserer Volkswirtschaft auf dem Spiel", sagt Generalsekretär Kurt Egger. "Zuwanderer werden benötigt", betont auch Kohlenberger. Allerdings müsse die Zuwanderung geordnet und strukturiert geschehen, ansonsten öffne dies Türen zur Arbeitsausbeutung. (Pauline Severin, 2.12.2022)