Das weiße, zerknitterte Hemd hatte Adam M. nicht in die Hose gesteckt, als er in die Mitte des Gerichtssaals trat. Auf den ersten Blick würde wohl niemand den 32-Jährigen einem kriminellen Milieu zuordnen – schon gar keinem, das über zwielichtige Kontakte illegale Waffen samt Munition über die Grenze schmuggelt, die Adam M. seinem Käufer dann in dicken Taschen übergibt.

Vor Gericht saß M. am Donnerstag, weil er dem jihadistischen Wiener Attentäter K. F. über einen slowenischen Mittelsmann jene Waffen verschafft haben soll, mit denen F. am 2. November 2020 vier Menschen getötet und etliche weitere verletzt hat. Der Tschetschene ist einer vor sechs Angeklagten rund um den Terroranschlag von Wien.

Wofür sich der junge Jihadist bewaffnete und was er anstellen könnte, darüber hatte Adam M. nie nachgedacht, erklärte er. Dass er daran beteiligt war, daraus macht er kein Hehl. Es sei sein "größte Fehler" gewesen. "Woher sollte ich wissen, was er macht?", sagte er und stellte lapidar die Frage "Wie viele Menschen haben Waffen?" in den Raum, als sei das in gewisser Weise Normalität.

Der Prozess rund um den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt wird sich über einige Monate ziehen. Mit einem Urteil wird im Februar gerechnet.
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Ein weiterer Angeklagter brachte den Tschetschenen überhaupt erst mit dem Terroristen zusammen: Die Koordination erfolgte in der Haftanstalt durch ein illegales Handy und die Kontakte eines damaligen Mithäftlings.

Der 22-Jährige lernte F. in seiner Kindheit kennen. Dass der zweifach wegen Terrordelikten Verurteilte seinem Freund half, an eine Kalaschnikow zu kommen, sieht er als "Geschäft". Er habe viele illegale Sachen vermittelt, erzählt er. Drogen, Handys, es sei um vieles gegangen. Dass sich F. noch Munition besorgt habe, dafür könne er nichts, so dieser Angeklagte, dessen Redebedürfnis der Vorsitzende immer wieder einbremsen musste. Er unterbrach den Richter, kritisierte die Staatsanwaltschaft und die Arbeit des Verfassungsschutzes.

Dass der deshalb einschlägig verurteilte F. im Jahr 2018 nach Syrien wollte, um für den "Islamischen Staat" zu kämpfen, sei dem Anklagten zwar klar gewesen. Er will überdies selbst gehört haben, dass F. schon in Haft über einen Anschlag fantasiert habe. So richtig geglaubt, habe er das nie. "Keiner von Ihnen war im Gefängnis, dort redet jeder so einen Schwachsinn. Wenn ich jeden Schwachsinn melden würde, keiner würde mehr rauskommen."

"Schlachte mit dem Messer"

Knapp vor dem Anschlag dürfte der Angeklagte seine Meinung aber zumindest für einen Moment geändert haben. Da sei ihm aufgefallen, dass sich das Erscheinungsbild seines Freundes verändert habe, und habe zu seinem Vater gesagt: "Ich glaube, er will was machen." Der Vater habe das aber noch als unwahrscheinlich abgetan und gemeint, im Falle des Falles greife der Verfassungsschutz ein. Und der spätere Terrorist sei eben auch ein Freund gewesen, erzählt der Angeklagte. "Ich habe immer das Gute in ihm gesehen."

Den IS bezeichnete der 22-Jährige vor Gericht als "Mörderbande" und verurteilte den Anschlag. Allerdings fand man auf seinem Smartphone zahlreiche radikalislamistische Kampfgesänge, in denen es heißt "Schlachte mit dem Messer" und sinngemäß den "Ungläubigen" der Kampf angesagt wird. Sie wurden nach dem Anschlag heruntergeladen. Der Angeklagte schämt sich auch nicht, dass "meine Religion töten darf", wie er einmal in einem Chat geschrieben hatte. Er selbst lehne das Töten zwar ab, erzählt er, "aber ich schäme mich nicht, dass es so im Koran steht". (Jan Michael Marchart, 1.12.2022)