Der Pomp des Staatsbesuches darf nicht darüber hinwegtäuschen: Der Empfang von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Weißen Haus kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die transatlantischen Beziehungen in einer tiefen Krise stecken.

Daran ist nicht der Ukraine-Krieg schuld. Im Gegenteil: Der russische Überfall auf das Nachbarland hat die USA und die EU sicherheitspolitisch zusammengeschmiedet. Die Last der Solidarität mit Kiew scheint trotz mancher Beschwerden gerecht verteilt. Aus den USA kommt der Großteil der Waffen und der direkten finanziellen Unterstützung, dafür trägt Europa die Hauptlast der wirtschaftlichen Folgen. Der Vorwurf, die USA würden sich am Krieg durch den Verkauf von teurem Flüssiggas bereichern, ist unberechtigt; in der Fülle des transatlantischen Handels fallen diese Lieferungen kaum ins Gewicht.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus.
Foto: AP/Kevin Lamarque

Und im Handel steckt der wahre Sprengstoff für die Partnerschaft. Zwei große Gesetzesvorhaben, die US-Präsident Joe Biden durch den Kongress brachte, sehen Milliardensubventionen vor, die Produkten made in the USA vorbehalten sind: das Paket, mit dem der Klimaschutz vorangetrieben werden soll, und das Gesetz, um die US-Industrie von Chips aus chinesischer Produktion unabhängig zu machen.

Subventionen sind Gift für den Freihandel: Sie erscheinen zunächst harmlos, verzerren aber den Wettbewerb und führen oft zu ebenso teuren Gegenmaßnahmen. Es sind vor allem die riesigen Staatsbeihilfen für seine Industrie, mit denen China seit Jahren gegen den Geist der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt und so den Protektionismus von Donald Trump angeheizt hat.

Kritik aus Brüssel

Dass Biden die Handelspolitik seines Vorgängers beibehält, hat die Europäer tief enttäuscht. Mit den neuen Subventionen geht er sogar einen Schritt weiter. Sie gelten vor allem für die Entwicklung und Produktion von E-Autos, Batterien und erneuerbarer Energie, schließen aber sämtliche Importe aus. Damit schneiden sich die USA von der oft überlegenen Technologie aus Europa ab und gefährden dort gleichzeitig tausende Firmen und Arbeitsplätze.

Die scharfe Kritik aus Brüssel hat bisher nicht gefruchtet, und auch Macron wird es nicht gelingen, die Regeln der bereits beschlossenen Gesetze zu ändern. Ein WTO-Verfahren könnte Jahre dauern und ebenfalls wenig bringen.

Umso wichtiger wäre es nun, dass die USA und die EU ein Gesamtpaket schnüren, das garantieren würde, dass die Regeln des Freihandels zumindest in ihrem gegenseitigen Verhältnis nicht ständig verletzt werden. Auch im schwierigen Umgang mit China, bei dem der Wunsch nach weiterer wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit der notwendigen strategischen Entschlossenheit in Einklang gebracht werden muss, müssten sich Washington und Brüssel besser abstimmen, damit sie nicht von Peking gegeneinander ausgespielt werden.

Jetzt sollte man auch in Europa erkennen, welche Gelegenheit mit dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP verpasst wurde, das bereits unter Barack Obama begraben wurde. Eine Wiederbelebung würde einen politischen Kraftaufwand auf beiden Seiten des Ozeans erfordern, und der ist derzeit nicht in Sicht. Aber vielleicht gelingt es doch, ein wenig vom Geist der gemeinsamen Solidarität mit der Ukraine auf den Erhalt der lebenswichtigen wirtschaftlichen Partnerschaft zu übertragen. (Eric Frey, 1.12.2022)