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Wenn die Unfreundlichkeit sprachliche Formen annimmt, exzelliert der Wiener in all ihren schillernden Varianten.

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Endlich wieder einmal Sieger im globalen Unfreundlichkeitswettbewerb, nach Fußball und Skifahren die populärste Disziplin weltweit. Die Wienerinnen und Wiener sind so höllisch unfreundlich, dass jeder Expat und jede Expattin nach zwei Wochen Aufenthalt hierorts auf Knien um Versetzung in eine liebenswürdigere Umgebung fleht. Ob Kabul, Mogadischu oder Monrovia, völlig wurscht, Hauptsache, es ist nur nicht Wien.

Geld aus Grant machen

Nach jedem Unfreundlichkeitstriumph der Wiener geht bei den Gscherten das übliche Gesuder los: Könnten diese großkopferten Volltrottel nicht einmal so freundlich sein wie wir Tiroler, Oberösterreicher, Burgenländer? Das ist ein falscher Denkansatz. In Wahrheit sollte Wien nicht danach streben, freundlicher zu sein, sondern lernen, sein Alleinstellungsmerkmal als global größte Zusammenrottung singulärer Grantscherben zu schätzen und zu vermarkten. Klassisches Reframing also.

Denkbar wäre, die Stadt als führende Ausbildungsstätte für Theorie und Praxis der Unfreundlichkeit zu positionieren. Für Leute, die aus überhöflichen Gegenden stammen und an deren süßlichen Umgangsformen leiden, ließen sich Exzellenzlehrgänge an Privat-Unis einrichten, die sicher keinen Verlust ihrer Zulassung zu befürchten hätten. Denn die Animositätskompetenz in Wien ist legendär, und die Wiener Unfreundlichkeit hat tausend Gesichter.

Breites Portfolio

Neben der bewährten Hinterfotzigkeitskombo (ins Gesicht lächeln, hintenherum Gift spritzen) beherrscht man auch: ständiges Stänkern; Falschauskünfte, wenn man nach dem Weg gefragt wird ("Noch Schönbrunn wolln S’? Do foan S’ die 71er bis zur Endstation auße"); Nachkommenden die Tür ins Gesicht fallen lassen; sich die räumliche Enge zunutze machen und mutwillig Koffer in der Riesenradgondel abstellen etc.

Wenn die Unfreundlichkeit sprachliche Formen annimmt, exzelliert der Wiener in all ihren schillernden Varianten, von bescheidenen Basics (Oasch, Beidl, Schastrommel) bis hin zu lichten verbalen Höhenflügen ("I reiß dir die Brust auf und scheiß dir aufs Herz"). Ein Gradus ad Parnassum, der von Nichtwienern unmöglich zu toppen ist. Das Studium in Wien lohnt sich also, und es winken verlockende akademische Titel: Bachelor des Suderns, Master des Fäulns und ein Ph.D. in mitteleuropäischer Misanthropie. (Christoph Winder, 06.12.2022)