Schmid erschien am 3. November im U-Ausschuss

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Es hätte das große Highlight des U-Ausschusses sein sollen, zumindest aus Sicht der Opposition: Thomas Schmid, dessen Wunsch nach dem Kronzeugenstatus gerade publik geworden war, hätte über seine Wahrnehmungen zur Ära Kurz "auspacken" und die Vorwürfe gegen zahlreiche ÖVP-Politiker öffentlichkeitswirksam unter Wahrheitspflicht wiederholen sollen. Doch aus dem Spektakel wurde nichts, Schmid schwieg am 3. November eisern – und handelte sich damit zahlreiche Anträge auf Beugestrafe ein.

In insgesamt 27 Fällen beantragte der U-Ausschuss eine Bestrafung für Schmids gebetsmühlenartig wiederholte Äußerung, dass er sich aufgrund laufender Ermittlungen entschlage. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine Entscheidung dazu getroffen, wie der "Falter" am Freitag zuerst berichtet hat. Die 29-seitige Entscheidung liegt auch dem STANDARD vor. In rund der Hälfte der Fälle durfte Schmid tatsächlich seine Aussage verweigern, heißt es in dem Beschluss des BVwG. Selbst wenn er Kronzeuge werden will, müsse er sich deshalb vor den Abgeordneten nicht selbst belasten, führt das Bundesverwaltungsgericht aus.

Keine generelle Aussageverweigerung möglich

Eine generelle Aussageverweigerung vor dem U-Ausschuss sei hingegen nicht erlaubt. So hätte Schmid strafrechtlich irrelevante Fragen wie etwa jene nach seiner ÖVP-Mitgliedschaft oder nach Absprachen zwischen Ministerien (Sidelettern) sehr wohl beantworten müssen. Deshalb wird in 13 Fällen eine Beugestrafe ausgesprochen. Die Geldbuße wird jedoch nicht kumuliert, sondern nur einmalig ausgesprochen. Deshalb muss Schmid lediglich 800 Euro bezahlen. Aus Sicht des U-Ausschusses ist die Entscheidung eine schlechte Nachricht: Aussageverweigerer kommen somit recht günstig davon.

Schmid und sein Anwalt Roland Kier argumentierten vor dem Bundesverwaltungsgericht sinngemäß, dass sich die einzelnen Themenkomplexe im Ibiza-Verfahren nicht voneinander trennen ließen. Man könne also nicht einfach Fragen zu einzelnen Ermittlungssträngen beantworten, solche zu anderen aber nicht.

Schweigen zu Benko- und Wolf-Verfahren zulässig

Das Bundesverwaltungsgericht ging die einzelnen beanstandeten Aussageverweigerungen einzeln durch: Beantworten müssen hätte Schmid etwa die Frage, ob die Protokolle seiner Einvernahme bei der WKStA seine Unterschrift tragen und ob er die Urheberschaft dieser Aussagen kenne. Hier sei "keine Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung" zu erkennen. Schmid hätte auch Auskunft geben müssen, ob er sich vor der Befragung im U-Ausschuss bedroht oder unter Druck gesetzt gefühlt habe.

Anders sei das bei konkreten inhaltlichen Fragen, etwa zu Interventionen rund um die Steuerverfahren von Siegfried Wolf beziehungsweise René Benko. Das umfasse auch die Nachfrage zu Schmids Chatnachricht an einen damaligen Kollegen, wonach der als Mitarbeiter in einem ÖVP-Kabinett eine "Hure für die Reichen" sei. Hier durfte Schmid gemäß BVwG schweigen, da er sich nicht selbst belasten muss.

Niemand muss sich selbst belasten

Zwar sieht die U-Ausschuss-Verfahrensordnung laut Bundesverwaltungsgericht rein wörtlich interpretiert keinen Schutz der Auskunftsperson davor vor, sich selbst über die bisherige Aussage hinaus selbst zu belasten. Allerdings müsse man diese Norm verfassungskonform interpretieren, heißt es im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. Und dann sei klar, dass "niemand gehalten werden kann, sich selbst zu belasten".

Warum die Beugestrafe so niedrig ausfiel, obwohl dreizehn Fragen beantwortet hätten werden müssen? Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Schmid "stark psychologisch belastet" gewesen sei, weil er ja Beschuldigter in mehreren Verfahren der WKStA ist. Der Gesetzgeber sehe außerdem "keine Bestrafung pro nicht beantworteter zulässiger Frage vor", andernfalls wäre die Auskunftsperson auch "dem Willen der Fragesteller ausgesetzt, die durch die Anzahl der von ihnen gestellten Fragen die Strafhöhe bestimmen könnten". Noch dazu wäre ein Nicht-Erscheinen deutlich geringer zu bestrafen als die ungerechtfertigte Aussageverweigerung vor Ort. grundsätzlich hielt das Gericht fest: Schmid habe keine Angaben über sein Einkommen gemacht, "es wird von überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen ausgegangen".

Nächster Versuch

Anfang 2023 wollen es die Abgeordneten mit Schmid erneut probieren: Anhängig ist noch ein Antrag des Justizministeriums an den Verfassungsgerichtshof rund um das Konsultationsverfahren mit dem U-Ausschuss. Sobald dieser erledigt und Schmids Einvernahmen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft abgeschlossen ist, dürfte eine weitere Ladung folgen. Die Neos werden dafür sogar einer Verlängerung des Untersuchungsausschusses zustimmen. (fsc, gra , 2.12.2022)