Im Transparenzblog "So sind wir" berichtet die STANDARD-Redaktion über die eigene Arbeitsweise. Nach welchen medienethischen Grundregeln handeln wir? Aus welchen Fehlern lernen wir? Wir machen unsere Selbstreflexion öffentlich.

"Die Reise wurde unterstützt von …" – seit neun Jahren steht dieser Satz unter den meisten unserer Reisereportagen. Bis heute sorgt er für Irritationen. Wie kam es dazu? Im Sommer 2013 initiierte der STANDARD eine zu diesem Zeitpunkt in Österreich einzigartige Compliance-Initiative. Wir wollten unseren Leserinnen und Lesern klar ausschildern, welche unserer Reisereportagen durch Einladung, welche auf eigene Kosten zustande kommen.

Gleich nach der Einführung der neuen Kennzeichnung erhielten wir etliche Zuschriften von Leserinnen und Lesern, die unseren proaktiven Schritt nicht nachvollziehen konnten: Warum weisen wir übereifrig etwas aus, wozu uns kein Gesetz verpflichtet? Manche kamen zu dem irrtümlichen Schluss, dass Medien, die ihre von Anbietern finanzierten Pressereisen weiterhin nicht anführten, sich eben auch nicht einladen lassen würden. Und noch etwas sorgte für Empörung: Darf es denn sein, dass sich die Journalistinnen und Journalisten eines Qualitätsmediums für die Berichterstattung einladen lassen?

Die Kurzantwort: Eine Reiseberichterstattung ohne Einladung zu Pressereisen könnte kein Medium in Österreich und können auch nur ganz wenige Medien weltweit aus eigener Tasche finanzieren. Die wirklich entscheidende Frage also ist: Beeinflusst dieser Umstand unsere Berichterstattung?

Schon wieder eine Malediven-Reisegeschichte? Tatsächlich gab es im STANDARD lange Zeit keine, weil sich die Berichte vom Sandspielen im Indischen Ozean nicht ändern. Heuer mussten wir aber von 50 Jahren Tourismus auf der Inselgruppe berichten, weil damit ein Fernreisegenre begründet wurde.
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Zunächst gibt es Einladungen, die wir gar nicht annehmen, weil sie nur der semiprivaten Erholung dienen. Abgesehen von solchen unseriösen Angeboten hat aber jeder Anbieter ein ureigenes Interesse, dass über ihn berichtet wird. Journalistinnen und Journalisten wollen wiederum nur eines: relevante Geschichten erzählen. Deshalb zählt für uns auch nur ein Kriterium, wenn wir eine Einladung annehmen: Unsere Berichterstattung bleibt unabhängig – welchen inhaltlichen Schwerpunkt wir legen, bestimmen wir selbst. Unabhängigkeit bedeutet daher, dass unsere Leserinnen und Leser ganz klar auch über die negativen Aspekte eine Angebots informiert werden. Oder im Fall einer Destination eben über kritische Aspekte wie Massentourismus, Umweltzerstörung oder politische und soziale Verwerfungen.

Interne Diskussion um Relevanz

Bevor wir eine Einladung annehmen, wird innerhalb der Redaktion diskutiert: "Was ist eigentlich die Geschichte?" Wenn wir wissen, bestimmte Reiseformen oder Unterkünfte werden sich in nächster Zeit durchsetzen, werden wir darüber berichten. Sind wir der Meinung, unsere Leserinnen und Leser fragen bestimmte Angebote häufig nach, werden wir sie ausprobieren und darüber schreiben. Und wie sieht es mit den Reisezielen aus? Ein Reisereportage von den Malediven ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Für und Wider einer Berichterstattung abzuwägen ist. Lange Zeit haben wir überhaupt auf Reisereportagen von dort verzichtet. Warum? Der Neuigkeitswert vom Aufenthalt in schneeweißem Sand ist gering. Doch erst vor wenigen Wochen haben wir wieder einmal über die Malediven geschrieben – weil vor exakt 50 Jahren die ersten Touristen auf der Inselgruppe landeten. Damit erschufen sie eine Form des Tourismus – Badefernreisen –, die heute im Zusammenhang mit der Klimakrise in der Kritik steht. Damit ist es für uns wieder relevant.

Mitglied beim Ehrenkodex

Wie umgehen mit den politischen Rahmenbedingungen, unter denen ein Urlaub stattfindet? Dafür gibt es in unserer Reiseredaktion klare Handlungsanweisungen. DER STANDARD bekennt sich zum Ehrenkodex für die österreichische Presse, also zu Grundsätzen der publizistischen Arbeit, die der Presserat aufgestellt hat. Darin ist unter Punkt 9 nachzulesen: "Reise- und Tourismusberichte sollen in geeigneter Weise auch auf soziale und politische Rahmenbedingungen und Hintergründe (zum Beispiel gravierende Menschenrechtsverletzungen) verweisen."

Warum fehlt der Compliance-Hinweis?

Warum gibt es so viele Reisegeschichten im STANDARD, unter denen kein Compliance-Hinweis steht? Manchmal ist damit sogar der Vorwurf in Postings verbunden, wir würden Einladungen nicht ordentlich ausweisen. Die Antwort ist einfach: Wenn der Hinweis auf die Unterstützung unter einem Artikel fehlt, dann waren wir nicht eingeladen. Tatsächlich bringen wir auch Reportagen oder Kolumnen über Reisen, für die Redakteurinnen und Redakteure selbst die Kosten übernommen haben. Und abgesehen von der klassischen Reportage erscheinen bei uns unzählige Reiseartikel, die Servicecharakter besitzen und gar keine Einladung erfordern.

Im zehnten Jahr der Offenlegung von Einladungen zu Pressereisen können wir folgende Bilanz ziehen: Das Sätzchen "Die Reise wurde unterstützt von …" zwingt uns Schreibende dazu, nie distanzlos zu arbeiten. Ja, man darf Reisen und die damit verbundenen touristischen Angebote toll finden, aber unausgewogene Lobhudelei wirkt dann umso peinlicher, wenn darunter der Hinweis auf eine Einladung zu finden ist. Mehr noch als dieser Satz verpflichten uns aber die Leserinnen und Leser, das Augenmaß bei der Reiseberichterstattung zu wahren. (Sascha Aumüller, 3.12.2022)