Nachhaltigkeit in der Lehrlingsausbildung, die Sustainable Development Goals (SDGs) und das bevorstehende Reportingregime der ESG standen am Donnerstag und Freitag im Zentrum des Lehrlingsforums beim Business Circle in Wien. Auf dem Podium: Kriemhild Büchel-Kapeller (Vorarlberger Landesregierung), Ibrahim Halil Altundal (Hydro Nenzing) und Holger Hiltmann (Merck in Darmstadt): junge Menschen ohne sperrige Begriffe dort abholen, wo sie etwas verändern wollen. Karin Bauer hat moderiert.
Foto: S. Klimpt

Und was möchtest du mal machen?" – "Auf jeden Fall studieren!" Bei einer Straßenumfrage von Zukunft Lehre Österreichvor einigen Wochen fiel vonseiten der Jungen nicht selten diese Antwort. Und was genau? "Irgendwas mit Wirtschaft." Auch wenn die mögliche Folgefrage "Warum eigentlich ein Studium?" nicht gestellt wurde, lässt sich daraus doch deutlich ableiten, dass viele junge Menschen bei der Entscheidung für den weiteren Ausbildungsweg oftmals gar nicht wissen, was sie machen wollen. Ein Studium scheint oft der einzige Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu sein.

Dieser Irrglaube führt dann nicht selten dazu, dass junge Menschen beispielsweise "irgendwas mit Wirtschaft" zu studieren beginnen, nach zwei oder drei Jahren jedoch feststellen, dass sie damit nicht weiterkommen und schließlich erst einmal dastehen und sich fragen (müssen), welchen Weg sie denn nun einschlagen sollen. So liegt die Abbruchquote von Studien in Österreich seit einigen Jahren bei rund 52 Prozent.

Ein Studium gilt in unserer Gesellschaft immer noch als hochwertigere Ausbildung, gerade von politischer Seite wird der Verbesserung des Uni-Wesens ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und auch Ressourcen geschenkt. Und das ist nicht nur in Österreich der Fall. So schreibt beispielsweise der britische Autor David Goodhart in einem Beitrag für das Werk Was die Zukunft braucht? der Julius-Raab-Stiftung über die teilweise negativen Konsequenzen einer künstlichen Hebung der Akademikerquote im Vereinigten Königreich, die zu "großen Engpässen in der Facharbeiter- und Pflegewirtschaft" führt.

Erst die Aufstiegsmöglichkeiten kennen

Noch immer sind viele Eltern davon überzeugt, dass ihrem Nachwuchs nur dann eine erfolgreiche Zukunft winkt, wenn sie an die Uni gehen und einen akademischen Titel ergattern. Mangels ausreichender Berufsbildung in der Schule wissen junge Menschen zumeist viel zu wenig über andere Möglichkeiten, wie unter anderem die duale Ausbildung, Bescheid. Mit einer Lehre allerdings sammeln junge Menschen schon in jungen Jahren wichtige Arbeitserfahrungen, verdienen schon früh ihr eigenes Geld und können in vielen Bereichen zwischen einer Vielzahl von Stellenangeboten auswählen. Außerdem ist es damit immer noch nicht ausgeschlossen, auch noch eine akademische Graduierung anzuhängen. Apropos Fachkräftemangel.

Ausbildungswegen jenseits der rein akademischen Ausbildung muss vonseiten der Politik also mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Verpflichtende Berufsorientierung – und diese möglichst früh in der Schule – wäre einer der wichtigsten Ansätze zur Problemlösung. Denn nur so kann auch gewährleistet werden, dass jungen Menschen vor Augen geführt wird, dass sie eine Wahl haben, wenn es um ihren weiteren Bildungsweg geht, und dass es nicht zwingend ein Studium sein muss. Vielleicht führt der für sie richtige Weg über die Universität, vielleicht ist es aber doch eine Lehre. Damit ist aber keine Nullachtfünfzehn-"Karriere mit Lehre"-Plakatkampagne mit irgendwelchen Fotomodellen gemeint, sondern der ernsthafte Wille, dorthin zu gehen, wo es wehtut: Es geht um strukturelle Veränderung, von Berufsorientierung bis Berufsschule, von Arbeitszeit bis Arbeitsort, von Wertschätzung bis Sinnstiftung. Es wird Zeit zu handeln. (Gastbeitrag: Laya Harnoncourt und Mario Derntl, 2.12.2022)