Die "Wiener Zeitung" soll ein bundesfinanziertes Onlinemedium werden.

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Wien – Die neuesten Nachrichten zum geplanten Ende der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt sind: weitere kritische Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf für die "Wiener Zeitung". Die JournalistInnengewerkschaft in der GPA etwa reiht sich mit dem Appell ein, den Gesetzesentwurf "sofort zurückzunehmen". Der Zeitungsverband warnt vor "Wettbewerbsverzerrung" durch ein vom Bund finanziertes Onlinemedium.

Medienministerin bleibt bei Plänen für "Wiener Zeitung"

Montagabend stellt sich die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, im Presseclub Concordia der Diskussion über dieses und andere medienpolitische Themen.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigt sich von der teils scharfen Kritik am Gesetzesentwurf zur Zukunft der "Wiener Zeitung" unbeeindruckt. "Wir glauben, dass die Zeitung bestandsfähig ist", sagte sie laut Parlamentskorrespondenz am Donnerstag in einer Aussprache über aktuelle Fragen im Menschenrechtsausschuss des Nationalrats.

Die "Wiener Zeitung" könne zumindest online ein starkes Medium bleiben, wenn es gelinge, neue Zielgruppen wie junge Leute zu erschließen. Im Entwurf ist eine Printausgabe "nach Maßgabe der finanziellen Mittel" vorgesehen. Raab bezeichnete nun eine monatliche Erscheinungsweise als "Untergrenze". In zahlreichen Stellungnahmen hagelte es auch Kritik an der Einrichtung eines "Media Hub Austria" bei der Wiener Zeitung GmbH, der Journalisten aus- und weiterbilden soll. Raab verwies darauf, dass die "Wiener Zeitung" schon jetzt ein aus ihrer Sicht großartiges Ausbildungsformat habe.

Worum geht es bei der "Wiener Zeitung"?

  • Die Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen im Amtsblatt der republikseigenen "Wiener Zeitung" finanzieren die Tageszeitung bisher mit 19,6 Millionen Euro pro Jahr zum größten Teil, die Gesamteinnahmen lagen 2021 bei rund 23 Millionen. Die Pflichtveröffentlichung werden gestrichen, mit Hinweis auf EU-Vorgaben und als langjährige Unternehmerforderung.
  • Der Gesetzesentwurf der Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) sieht vor, dass – mangels dieser Einnahmen – aus der "Wiener Zeitung" bis Mitte 2023 ein Onlinemedium mit gelegentlichen Printausgaben wird.
  • Die Republik überweist – wenn die EU-Kommission zustimmt – künftig drei Millionen Euro für eine digitale Veröffentlichungsplattform, 7,5 Millionen Euro für das Medium "Wiener Zeitung" digital und gedruckt sowie sechs Millionen Euro für den "Media Hub" für Journalismusausbildung und Medienkompetenz.
  • Die Redaktion fordert eine Schonfrist, um private Träger für die "Wiener Zeitung" zu finden. Eva Bliminger (Grüne) erklärte mehrfach, es hätten sich bisher keine Investoren mit Modellen gefunden, um die Tageszeitung fortzuführen. In der Diskussion ist regelmäßig die Rede von – bisher ungenannten – potenziellen Investoren oder Investorengruppen.

Entwurf zurücknehmen

Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft in der GPA, verlangt die Rücknahme des Gesetzesentwurfs auf der Basis der 116 Stellungnahmen in der Begutachtung, die am Mittwoch endete – DER STANDARD berichtete ausführlich auch darüber. Kullmann erklärt: "Die Regierung stiehlt sich mit dem Gesetzesentwurf aus der Verantwortung, als Eigentümervertreterin der Republik Österreich eine wirtschaftliche Basis für den Erhalt der 'Wiener Zeitung' sicherzustellen."

"Verstaatlichte Aus- und Weiterbildung"

Mit dem neuen Gesetz würden für die "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung nötige Mittel in Form eines neuen "Media Hub Austria" entzogen. Die dafür vorgesehenen sechs Millionen Euro jährlich dienten vor allem dazu, "unter dem Deckmantel 'Wiener Zeitung' – nämlich nicht zur Redaktion mit deren im Redaktionsstatut verbriefter Unabhängigkeit gehörend – eine verstaatlichte Aus- und Weiterbildungseinrichtung zu schaffen".

Kullmannn: "Wie für den Beruf selbst, so hat auch die Aus- und Weiterbildung in einem Rahmen zu erfolgen, der Unabhängigkeit gewährleistet. Eine dem Kanzleramt unterstellte Ausbildungsstätte im Eigentum der Republik kann dies sicher nicht."

VÖZ warnt vor "Wettbewerbsverzerrung" und "staatlich gelenkter Journalistenschmiede"

Der Zeitungsverband VÖZ, dessen Mitglied die "Wiener Zeitung" ist, spricht sich weiterhin dafür aus, "Modelle für den Erhalt der ältesten gedruckten Tageszeitung der Welt als solche zu erarbeiten und dabei insbesondere auch Kooperationen mit den privaten Zeitungsverlagen in Österreich als Option in Erwägung zu ziehen".

Die Erteilung eines öffentlich-rechtlichen Auftrags zur Erstellung und Verbreitung redaktioneller Presseinhalte und insbesondere deren konkrete Ausgestaltung sieht der VÖZ aber "kritisch" und verweist auf das Beihilfenrecht der EU.

Der Auftrag und die direkten Förderungen der Republik könnten sich in einigen Punkten mit EU-Recht spießen, warnt der VÖZ.

Eine GmbH im Besitz der Republik gebe dem Bund "volle Kontrolle" über das Medium (im Gegensatz zur Stiftungskonstruktion des ORF, der über die GIS öffentliche Gelder bekommt).

Der Gesetzesentwurf sehe keine Paywall für das künftige Onlinemedium vor – und "konterkariere" damit wie ORF.at Bemühungen privater Medienhäuser um Bezahlmodelle.

Der Entwurf sehe zudem keine Beschränkung der Wiener Zeitung GmbH bei der Betätigung am Online-Werbemarkt vor. Der Zeitungsverband sieht das insbesondere beihilfenrechtlich "sehr problematisch". Es bräuchte Vorkehrungen gegen "unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen".

Der VÖZ fordert ein gesetzliches Werbeverbot für das künftige Onlinemedium und ein Paywall-Gebot.

Der Zeitungsverband schlägt zudem vor, "den Media Hub als Koordinierungsstelle und Enabler der Weiterentwicklung für vorhandene Ausbildungsangebote repräsentativer Einrichtungen zu gestalten, statt eine zu diesen in Konkurrenz tretende staatliche gelenkte Journalistenschmiede zu schaffen".

Wirtschaftspublizisten warnen vor Kanzler-Einfluss

Der Klub der Wirtschaftspublizisten gab nach eigenen Angaben erstmals eine Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf ab. Der Verein der Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten schreibt etwa: "Unabhängigkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für Qualitätsjournalismus. Es ist daher erstens völlig kontraproduktiv, die Finanzierung der 'Wiener Zeitung' ausschließlich an den Tropf der Bundesregierung zu hängen, abhängig von verfügbaren Budgets und wechselnden Regierungen."

"Reine Augenauswischerei" sei, die "Wiener Zeitung" als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zu organisieren, finden die Wirtschaftspublizisten. Das sei "ausgerechnet jene Form einer Kapitalgesellschaft, in der der Gesellschafter (sprich Bund) den direkten Durchgriff auf die Geschäftsführung hat". Diese Geschäftsführung bestellt laut Entwurf alleine den Chefredakteur, kritisiert der Klub der Wirtschaftspublizisten. Sie kritisieren, wie viele andere Stellungnahmen, die quasi staatliche Journalismusausbildung.

Die "Wiener Zeitung" ist schon bisher, eingetragen 1998 im Firmenbuch, als GmbH organisiert. im Staatsdruckereigesetz steht derzeit: "Herausgeber der Wiener Zeitung ist der Bund. Eigentümer und Verleger ist die Gesellschaft. Vor Bestellung und Abberufung des Chefredakteurs ist das Einvernehmen mit dem Herausgeber herzustellen." (fid, 2.12.2022)