Foto: APA/Techt

Bald könnte es zur Anklage gegen den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kommen: Schon Mitte Oktober hatte ein Oberstaatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ÖVP-Anwalt Werner Suppan darüber informiert, dass die Ermittlungen gegen Kurz wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss "abgeschlossen sind". Kurz habe nun noch einmal die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, schrieb der Staatsanwalt in einer E-Mail an Suppan.

Das ist am vergangenen Montag geschehen: Zwischen 10 Uhr und 15.45 Uhr stellte sich Kurz den Fragen zweier Staatsanwälte – allerdings erst nach einer Nachdenkpause mit seinem Anwalt. Der Exkanzler hatte eigentlich vorgehabt, der WKStA bei seinem Einvernahmetermin nur zwei "verantwortliche Äußerungen" und ein bereits öffentlich bekanntes Gutachten von Rechtsprofessor Peter Lewisch zu übergeben. Darin sei alles Relevante dargelegt, erklärte Kurz den Staatsanwälten nach der kurzen Pause, "aber wenn Sie schon fragen, kann ich gerne auch einige Fragen beantworten, (…), auch wenn mir die Relevanz nicht ganz klar ist".

"Nicht meine Aufgabe, das Tonband zu interpretieren"

Wissen wollten die Staatsanwälte tatsächlich einiges. Sie konfrontierten Kurz vor allem mit Aussagen von Thomas Schmid, der sich ja als Kronzeuge angeboten und in seinen Einvernahmen Kurz schwer belastet hat. Als Reaktion darauf hat Kurz seinerseits das Protokoll eines Telefonats mit Schmid veröffentlicht, das er im Oktober 2021 – also kurz nach Aufkommen der Causa Beinschab und seinem Rücktritt als Kanzler – geführt hatte. Kurz sieht sich damit entlastet, wollte das gegenüber der WKStA aber nicht im Detail ausführen: "Es ist, glaube ich, nicht meine Aufgabe, das Tonband zu interpretieren. Das Tonband spricht aus meiner Sicht für sich."

Auf weitere Nachfragen erklärte Kurz: "Ich respektiere, dass Sie einen anderen Blick auf die Dinge haben. Aber ich glaube, wenn Sie sich dieses Telefonat anhören, dann merken Sie: Hätten wir gemeinsam eine Straftat begangen, hätte er doch in den über zehn Minuten des Telefonats oftmals die Möglichkeit gehabt, mir zu widersprechen."

"Die Wahrheit ans Tageslicht bringen"

Und warum hat er den Inhalt des Telefonats publik gemacht? Kurz sah sich einer "massiven öffentlichen Vorverurteilung ausgesetzt" und hielt es deshalb für notwendig, "die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen" und zu zeigen, "dass Schmid die Anschuldigungen gegen mich einfach erfunden hat, um selbst einen Vorteil zu erhalten, nämlich straffrei auszugehen". Der WKStA habe er den Mitschnitt deshalb nicht schon früher übergeben, weil diese – so sein "persönlicher Eindruck – (…) Beweise hin oder her" ohnehin stets das Ziel haben würde mich anzuklagen".

Schmids Aussagen seien "nicht die Bibel", seine Aussage entspreche in vielen Bereichen nicht der Wahrheit. Schmid habe ihm "nie einen ehrlichen Gesamtüberblick" über sein Fehlverhalten gegeben, die Vorwürfe "als konstruiert bezeichnet" und "versucht, sein Fehlverhalten zu verharmlosen". Er, Kurz, habe deshalb versucht, an das Backup von Schmids Chatverläufen zu gelangen und sich mehrfach mit Schmid getroffen, erklärte der Exkanzler sinngemäß.

"Möchte nur bei Umständen des Telefonats bleiben"

Im Laufe der Zeit sei das Misstrauen gegenüber Schmid gewachsen, deshalb sei es schließlich zur Aufnahme des Telefonats gekommen, sagte Kurz laut Protokoll aus. "Versuchen Sie es einmal aus meiner Sicht zu sehen, wenn Ihnen etwas vorgeworfen wird, was sie nicht begangen haben und Sie haben den Eindruck nach Aktenstudium, dass es eine Person gibt, die etwas Unrechtes getan hat und sicherlich auch mehr weiß, [da] ist es naheliegend, dem nachzugehen", so Kurz.

Inhaltlich wollte er zu den Vorwürfen in der Causa Umfragen, über die er sich mit Schmid unterhalten hat, noch nichts sagen – hier sind die Ermittlungen ja noch in vollem Gang. "Dass die Vorwürfe gegen meine Person falsch sind, weiß ich ohnehin selbst", so der frühere ÖVP-Chef. "Ich möchte heute nur bei den Umständen des Telefonats bleiben."

"Massiv in Widersprüche verstrickt"

In seiner schriftlichen Äußerung zum Vorwurf der Falschaussage wollen Kurz und Anwalt Suppan herausgearbeitet haben, wie sich Thomas Schmid bei seinen Einvernahmen "massiv in Widersprüche verstrickt" habe. Schmid habe aus eigener Initiative Öbag-Chef werden wollen und die Aussagen anderer Zeugen würden Kurz’ Darstellung unterstützen, dass allein der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) für die Auswahl der Öbag-Aufsichtsratsmitglieder verantwortlich gewesen sei. Da beruft sich Kurz etwa auf die Einvernahme von Bernd Brünner, bis vor kurzem Generalsekretär im Bundeskanzleramt. Insgesamt zeige sich, so Kurz, "die völlig fehlende Glaubwürdigkeit" von Schmid, "der je nach Opportunität jedem etwas anderes erzählt".

Was Kurz offenbar wundert: "Ausgerechnet bei den Vorwürfen, die er mir gegenüber erhebt, gibt es keine einzige Chatnachricht". Das sei insofern interessant, als Schmid doch "jedes Detail seines Lebens inklusive mutmaßlich strafbarer Handlungen" dokumentiert habe.

Eines wollte Kurz vor den Ermittlern aber schon noch klarstellen: "Ich bin nicht Frau Kurz". Auslöser für diese Feststellung ist die Causa Novomatic/Italien rund um Bestechungsvorwürfe gegen Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann und Ex-Finanzminister Gernot Blümel. Da ging es auch um einen Kalendereintrag von Novomatic-Gründer Johann Graf zu einem Treffen mit "Kurz". Das war aber nicht Sebastian, sondern die nicht mit ihm verwandte Martina Kurz, Mitglied im Novomatic-Aufsichtsrat und Grafs Schwiegertochter. Für alle hier Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 2.12.2022)