Das Oxford Dictionary definiert Mansplaining so: Wenn ein Mann einer Frau etwas so erklärt, als würde er davon ausgehen, mehr zu wissen und zu verstehen als sie.

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Viele freuen sich über diesen Begriff, um oft Erlebtes kurz und griffig beschreiben zu können. Und wohl ebenso viele ärgern sich über die pauschale Unterstellung, die darin steckt: "Mansplaining". Seit Mitte der 2010er-Jahre hat sich Mansplaining zu einem geläufigen Begriff gemausert, seit 2014 steht er im "Oxford Dictionary". Beschrieben wird er darin so: die Praxis eines Mannes, der etwas einer Frau so erklärt, also würde er davon ausgehen, mehr zu wissen und zu verstehen als sie. Als ein Beispiel, wie dieser Begriff im Sprachgebrauch verwendet wird, wird angeführt: "Es war klassisches Mansplaining." Konkretes Anschauungsmaterial dafür liefern laufend soziale Medien:

Berühmt geworden ist jenes Erlebnis der feministischen US-amerikanischen Autorin Rebecca Solnit. Sie hat den Begriff geprägt, noch bevor es ihn gab: Ein älterer Herr erklärte ihr auf einer Party eine Publikation über Eadweard Muybridge, Pionier der Fototechnik aus dem 19. Jahrhundert. Eine Zuhörerin des "Gesprächs" wollte sich mehrmals einbringen, um dem Mann mitzuteilen: Das Buch habe Solnit selbst verfasst, der er gerade rät, sie solle das Buch doch lesen. Als schließlich zu ihm durchdrang, dass sein Gegenüber, Solnit selbst, die Autorin dieses Buches ist, war es ihm nicht mal besonders peinlich, erzählte Solnit später.

Jahre später hat sie den Essay mit dem Titel "Men Explain Things to Me" (2014) geschrieben, das Buch wurde ein großer Erfolg. Doch wer genau den Begriff Mansplaining erfunden hat, ist unbekannt. Laut Solnit war es eine anonyme Bloggerin. Solnit definierte in einem Gespräch dieses Phänomen so: Es sei eine "Kreuzung aus übertriebenem Selbstbewusstsein und Ahnungslosigkeit, an der ein Teil dieses Geschlechts steckenbleibt". Sie will Mansplaining aber nicht auf heterosexuelle, weiße Männer festschreiben, sondern räumt den Geschlechtern durchaus Handlungsspielraum ein, indem sie sagt, wir bekämen zwar unsere Rollen von der Kultur, "aber was wir damit tun, entscheiden wir selbst".

Kommunikationstechnisches Drüberfahren

Als eine, die Mansplaining in seiner offensichtlichsten Form erlebt hat, meint Solnit aber, der Begriff werde inzwischen zu inflationär verwendet. Dieser Ansicht ist auch die Wiener Genderkompetenztrainerin und Coachin Surur Abdul-Hussain. "Der Vorwurf des Mansplaining kommt inzwischen manchmal zu schnell und undifferenziert, sagt Abdul-Hussain. Dass diese Praktiken aber sehr oft von Gender geprägt sind, daran hat Abdul-Hussain keinen Zweifel. Sie erinnert etwa an die Konversationsanalysen von Linguistin Senta Trommel-Plötz, die in der 1980er-Jahren Interaktionsanalysen zu Gesprächen durchführte und zeigte, wie stark Hierarchien mittels Kommunikation ausgedrückt und reproduziert werden. Sei es durch Unterbrechungen oder dadurch, andere erst gar nicht zu Wort kommen zu lassen. Das sei auch bis heute so, meint Abdul-Hussain. Allerdings sei Geschlecht nicht der einzige Aspekt, so erleben kommunikatives Drüberfahren ebenso Menschen mit Migrationshintergrund sehr häufig.

Im beruflichen Kontext zeige die Forschung bis heute, dass die Redezeit noch immer zugunsten von Männern ausfällt – der sich hart haltende Mythos von den redseligen Frauen und schweigsamen Männern stimmt so also nicht.

Abdul-Hussain empfiehlt für die Unterscheidung, ob man es mit Mansplaining zu tun hat oder nicht, auf den Kontext zu achten. Eine Unterrichtssituation ist etwas anderes, als wenn man mit Kollegen am Tisch sitzt und einer davon einer Kollegin – sagen wir einer schwarzen Frau – ungefragt erklärt, wo Rassismus und Sexismus anfängt und was rein gar nichts damit zu habe. Herausgefunden haben Forscher:innen auch, dass es im digitalen Raum Orte gibt, die offenbar mehr zu Mansplaining animieren als andere: Demnach scheint Twitter für leidenschaftliche Mansplainer ein besonders guter Ort zu sein – Facebook hingegen nicht.

Kompetenzzuschreibungen

Ein wesentlicher Grund, warum sich in der Kommunikation viele Männer mehr und selbstverständlicher Raum nehmen, sei, dass Frauen bis heute stärker infrage gestellt würden, das seien "wir auch gewohnt", sagt Abdul-Hussain. Und das kommt nicht von ungefähr: Insbesondere was lobende Kompetenzzuschreibungen anbelangt, fallen diese für Frauen seltener aus. Eine Studie der Uni Wien untersuchte Nachrufe auf Geschäftsführer:innen dahingehend, wie die verstorbenen Personen dargestellt wurden. Die Zuschreibung "Expertin" kam zum allergrößten Teil nur in den Nachrufen auf die männlichen Geschäftsführer vor. "Die Studie wurde in den 1980er-Jahren begonnen und bis in die 2000er- Jahre fortgeführt, es zeigt sich, dass es sich nach und nach etwas angleicht, trotzdem geht noch immer der überwiegende Teil der Kompetenzzuschreibungen an die Männer", sagt Abdul-Hussain.

Und diese Zuschreibungen beeinflussen das Selbstverständnis. Auf sprachlicher Ebene kann man dagegen einiges tun. Ein schlichtes "Bitte lassen Sie mich zu Ende sprechen" ist immer ein probates Mittel, rät Abdul-Hussain. Wenn eine Mansplaining-Tirade in einem Meeting kein Ende nimmt, rät sie, Blickkontakt mit der oder dem Moderator:in aufzunehmen. Falls in einem Meeting niemand diese Funktion innehat, gebe es unterschiedliche körpersprachliche Signale, mit denen die Chancen besser stehen, zu Wort zu kommen: sich aufrichten, Präsenz erzeugen oder beobachten, wie andere zu Wort kommen – und es ihnen gleichtun.

Denn wer nicht schafft, zu Wort zu kommen und am Wort zu bleiben, gilt wiederum als weniger kompetent. Das zeigte zumindest eine Untersuchung der US-amerikanischen Soziolinguistin Deborah Tannen. Sie hat gezeigt, dass weniger Redezeit von Frauen ihnen als mangelnde Kompetenz ausgelegt wird.

Nehmen sich Frauen also weniger Redezeit, kann das den Mansplaining-Teufelskreis noch fester schließen. Eine Motivation vielleicht für all jene, die Ungeduld des Gegenübers auszusitzen – oder besser: einfach weiterzureden.

(Beate Hausbichler, 5.12.2022)