Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ist sehr wohlhabend – zu wohlhabend, um noch korrupt zu sein, nahm man an. Nun aber muss er die Herkunft einer großen Menge Geld erklären, die ihm gestohlen wurde.

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Wäre es nach ihm selbst gegangen, würde Cyril Ramaphosa heute schon auf seiner Wildfarm "Phala Phala" im Nordwesten Südafrikas sitzen und sich seiner Büffel, der Antilopen und seltenen Rinder erfreuen. Als am Donnerstagmittag das überraschend scharfe Urteil einer Richtergruppe zum Skandal um den Präsidenten in Kapstadt wie eine Bombe einschlug, kündigte der 70-jährige Staatschef noch für denselben Tag eine Fernsehansprache an. Er habe seinen sofortigen Rücktritt als Präsident des Landes und des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) bekanntgeben wollen, wurde aus dem Kreis seiner Vertrauten bekannt.

Am Abend sagte der Sprecher des Präsidenten dessen TV-Auftritt wieder ab: Ramaphosa müsse sich den für sein Land so schicksalsträchtigen Schritt in aller Ruhe überlegen, teilte der Sprecher mit. Der Präsident berate sich derzeit mit seinen Freunden und der Partei. Für Südafrikas Währung, den Rand, kam die Korrektur zu spät: Er stürzte noch am selben Tag um vier Prozent in die Tiefe – dermaßen dramatisch wie seit Bekanntwerden der korrupten Umtriebe seines Vorgängers Jacob Zuma vor sechs Jahren nicht mehr.

Der Stimmenfänger im Fadenkreuz

Am Freitag kam dann das höchste Entscheidungsgremium des ANC, der Nationale Exekutivrat, zu einer Sondersitzung zusammen. Den genauen Inhalt der Debatten pflegt die ehemalige Befreiungsbewegung nicht bekanntzugeben. Klar wurde danach allerdings, dass es vorerst keine Entscheidung vonseiten der Partei geben würde: Die Besprechungen zu den Vorwürfen gegen Ramaphosa wurden auf einen neuen Termin am 6. Dezember vertagt.

Die Mehrheit der führenden ANC-Funktionäre weiß jedenfalls, dass ihr Schicksal von dem ihres Präsidenten abhängt. Ramaphosa ist in Südafrika deutlich beliebter als seine Partei: Tritt der Stimmenfänger ab, wird es um die seit 28 Jahren regierende Partei bei den Parlamentswahlen in eineinhalb Jahren noch trostloser aussehen. Bereits mit Ramaphosa wird der ANC Prognosen zufolge erstmals seit den Wahlen 1994 die absolute Mehrheit verlieren. Und ohne Ramaphosa könne die einstige Partei Nelson Mandelas froh sein, noch auf 40 Prozent der Stimmen zu kommen. Dann ist es aus mit dem Alleinregieren.

Ironisch, dass ausgerechnet Ramaphosa nun in einen Skandal verwickelt ist. Der einstige Gewerkschaftsführer und spätere Bergwerksbesitzer galt eigentlich als Saubermann. Schließlich war der Dollarmilliardär zum Stehlen zu reich und setzte sich – durchaus überzeugend – für die Reinigung seiner Partei von allen korrupten Geschäften ein. Ausgerechnet ihm soll aber nun ein krasses "Missgeschick" passiert sein?

Absurder Skandal

Der Skandal, oder genauer gesagt: das, was bisher bekannt ist, klingt einigermaßen absurd: Im Februar 2020 sollen Diebe auf Ramaphosas Wildfarm bis zu vier Millionen US-Dollar gestohlen haben. Das Geld war in den Polstern eines Sofas versteckt. Statt den Diebstahl offiziell bei der Polizei anzuzeigen, informierte Ramaphosa nur den Chef seines Sicherheitsteams und soll den aufgefundenen Tätern auch noch erhebliche Summen Geld gegeben haben, um sie ruhig zu halten.

Offenbar versuchte der Präsident zu verhindern, dass die Nachricht von dem vielen Geld in seinem Sofa an die Öffentlichkeit gerät. Das Problem mit dieser Darstellung: Sie stammt von einem ehemaligen Geheimdienstler und Freund Jacob Zumas, der den Skandal vom Zaun gebrochen hatte, indem er Ramaphosa bei der Polizei anzeigte und seine Geschichte der Öffentlichkeit zuspielte. Ein verlässlicher Zeuge ist dieser, ein gewisser Arthur Fraser, nicht.

Ramaphosa räumte zwar ein, dass es zu dem Diebstahl gekommen sei, allerdings seien nicht vier, sondern nur eine halbe Million US-Dollar gestohlen worden. Außerdem sei das Geld völlig legal als Bezahlung eines Sudanesen für den Kauf von 20 Büffeln von angeblich "minderer Qualität" im Sofa gelandet, heißt es in Ramaphosas Stellungnahme zu der dreiköpfigen vom Parlament beauftragten Richtergruppe.

Diese Kommission sollte feststellen, ob es genügend Verdachtsmomente gibt, um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Ramaphosa einzuleiten. Und sie kam überraschend deutlich zu ihrem Urteil: sehr wohl! Den drei gestandenen Juristen (einer war einst der höchste Richter des Landes) kam die Darstellung des Präsidenten unglaubhaft vor. Sie vermuten, dass sich hinter Ramaphosas Bericht eine schmutzigere Wirklichkeit verbirgt. Sie werfen dem Staatspräsidenten die Verletzung der Verfassung (durch seine Nebeneinnahmen als Wildtierfarmer), die Verletzung seines Amtseids (durch die Verheimlichung des Diebstahls) sowie Verstöße gegen das Zivilgesetz (durch den illegalen Besitz ausländischer Währung und womöglich sogar durch Steuerhinterziehung) vor.

Der Vorsprung schmilzt

Im Gegenzug machen Ramaphosas Vertraute den Richtern eine Übererfüllung ihres Auftrags zum Vorwurf: Ihr Bericht lese sich wie eine Anklageschrift gegen den Präsidenten, obwohl sie weder Zeugen vernehmen noch Ermittlungen hätten anstellen können. Ihre Aufgabe sei lediglich die Beantwortung der Frage gewesen, ob ein Amtsenthebungsverfahren gerechtfertigt sei. Nach dem 86-seitigen Bericht der Richter wird das Parlament nicht umhinkönnen, am kommenden Dienstag einen Antrag auf ein solches Verfahren entgegenzunehmen – danach geht das Haus erst einmal in die südafrikanische Sommerpause. Damit ist zwar die Opposition vorübergehend ausgeschaltet: Doch der Streit um die Zukunft des Präsidenten innerhalb der Regierungspartei fängt jetzt erst richtig an. In zwei Wochen beginnt der Parteitag des ANC, auf dem über die künftige Führung der Organisation und damit des Landes entschieden wird: Unversöhnlich stehen einander dabei das Lager Ramaphosas und jenes des ehemaligen Präsidenten Zuma gegenüber.

Nach den Vorerhebungen des ANC hatte Ramaphosa vor seinem Herausforderer Zweli Mkhize einen deutlichen Vorsprung. Der schmilzt im heißen innerparteilichen Gefecht nun aber rapide dahin. Trete Ramaphosa gar nicht an, drohe sein Lager über dessen Nachfolge zu zerbrechen, sagen Kenner der ehemaligen Befreiungsbewegung voraus: Mkhize könnte sich dann ins Fäustchen lachen. Der einstige Gesundheitsminister musste wegen des Verdachts der Korruption im vergangenen Jahr von seinem Amt zurücktreten. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 2.12.2022)