41.111 Ehen wurden 2021 in Österreich geschlossen, rund um die Heirat gibt es eine ganze Industrie.

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Weiße Kleider, glänzende Ringe, Fächer mit Wunschgravur und mehrstöckige Torten in bunten Farben und Mustern. All das und noch viel mehr rauscht über den Bildschirm, sobald man auf ein Video der Weddingexpo in Wien, einer Hochzeitsmesse, klickt. Dazu pompöse, schnelle Musik, die unmissverständlich klarmacht: Wenn zwei Menschen sich das Ja-Wort geben, ist kein Aufwand zu groß. Deshalb werden hier auch Vorträge und Workshops angeboten, Make-up-Artists, Hochzeitsplaner und Fotografen stellen sich vor.

41.111 Ehen wurden 2021 in Österreich geschlossen, rund um die Heirat gibt es eine ganze Industrie. "Die Eheschließung ist zum Event geworden", sagt Ulrike Zartler von der Universität Wien. Die Familiensoziologin kann auch erklären, warum die umfassende Planung boomt: Heiratete früher beispielsweise ein Handwerker einer bestimmten Zunft, gab es historisch klare Regelungen, wer etwa eingeladen wurde oder was es zu essen gab. "All diese Vorgaben gibt es mittlerweile weniger, und das wird ersetzt oder versucht zu kompensieren durch diese Eventplanung, wo der Ort ein ganz besonderer sein muss, wo die Einladung schon etwas ganz Tolles sein muss, von der Bekleidung gar nicht zu reden."

Altes Konzept

Fragt man Karin Neuwirth vom Institut für Legal Gender Studies an der Johannes-Kepler-Universität Linz, so dominiert in Sachen Ehe heutzutage eher die Gefühlsebene und weniger das juristische Wissen. Neuwirth kann auch eine Einschätzung dazu abgeben, wie lange es die Ehe als Institution überhaupt schon gibt: "Eigentlich seit es Menschen gibt und diese in größeren Gruppen und Verbänden zusammenleben." Das wirft die Frage auf, wie sich die Ehe als Institution so lange halten konnte – und wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat.

"Die Bestimmungen an sich sind sicher nicht modern, weil sie ein Flickwerk sind und Normen einfach von alters her übernommen wurden und dann mit neuen Bestimmungen ergänzt oder Dinge gestrichen wurden", sagt Rechtsexpertin Neuwirth über die Ehe. Damit spielt sie auf das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 1811 an, wovon Teile heute noch in Kraft sind. Das gilt ebenso für das Ehegesetz 1938, das nach dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland eingeführt wurde. Auch die Kirche nahm im Lauf der Geschichte Einfluss auf die Institution Ehe, aktuell gilt in Österreich jedoch: Nur eine standesamtliche Ehe ist rechtlich bindend. Erst seit 1989 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar.

Eine moderne Institution?

Dass auch die moderne Gesellschaft das Konzept Ehe noch gebrauchen kann, glaubt Neuwirth durchaus, und sie glaubt auch, dass rechtliche Aspekte ein Grund sind, warum es sie überhaupt noch gibt. Denn obwohl man mit Vollmacht und Verträgen vieles regeln könne, sieht sie in der Ehe folgenden Vorteil: "Rein aus juristischer Sicht ist es eine Vereinfachung, weil der Status als Ehefrau oder Ehemann in anderen Rechtsgebieten Berücksichtigung fand." Auch Zartler sieht das ähnlich: "Es wäre sehr vermessen, die Ehe nur als etwas Konservatives, Altmodisches, das man heute nicht mehr braucht, zu sehen. Weil vielen nicht bewusst ist, dass die Ehe einen rechtlichen Rahmen schafft und eine Art von Absicherung gibt, die man in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht hat." Es gebe viele Fälle, in denen zumeist Frauen erkennen würden, dass sie ohne entsprechende Überlegungen und Absicherungen eine Beziehung eingegangen sind, Kinder zur Welt gebracht und erzogen haben und auf die eigene Berufstätigkeit verzichtet haben. Und dann stünden sie "in der Armutsfalle, weil sie einfach überhaupt keine Rechte haben, beispielsweise wenn der Partner verstirbt, eine Witwenpension zu bekommen". Dennoch betont die Soziologin, dass die Ehe "nicht mehr zwingend das Mittel der Wahl" ist, um als Paar eine Beziehung zu führen. Auch für die Geburt von Kindern sieht sie die Ehe nicht mehr als zentrale Institution. Mehr als die Hälfte aller erstgeborenen Kinder hat unverheiratete Eltern. Lange Zeit waren uneheliche Kinder rechtlich deutlich schlechtergestellt als eheliche Kinder. Seit 1989 gibt es eine endgültige erbrechtliche Gleichstellung von unehelich Geborenen gegenüber beiden Elternteilen.

Viele Paare wissen nach Einschätzung der Expertinnen nicht, was eine Heirat für sie rechtlich genau bedeutet – oder auch nicht, was es bedeutet, nicht zu heiraten, wie Zartler ausführt: "Ich glaube, dass das Rechtsbewusstsein sehr, sehr gering ist, in beide Richtungen. Einerseits welche Rechtssituation man schafft, wenn man nicht heiratet. Aber auch wenn man heiratet, ist der übliche Zugang, sich nicht näher damit zu beschäftigen, worauf man sich einlässt." Außerdem würde es unter Umständen als Vertrauensbruch gewertet, wenn ein Partner anregt, darüber nachzudenken, was unterschrieben wird. Neuwirth erwähnt, dass manchen auch nicht klar sei, was genau unter Ehepflichtverletzung, Ehestörung oder pflichtwidriges Verhalten falle. "Da wären vielleicht manche verwundert, was da dann konkret dazuzählt. Aber das steht nicht im Gesetz, sondern das entscheidet sich dann, wenn bei Gericht auf Scheidung geklagt wird und jemand sagt, das war jetzt ehezerstörend."

Gesetze von Männern für Männer

Dass es auch entscheidend ist, wer die Gesetze verfasst, davon ist Petra Unger, Expertin für Gender Studies und feministische Forschung, überzeugt. "Gesetze oder Verträge zu entwickeln war über Jahrhunderte ein Privileg der Männer. Dementsprechend sind die Ehegesetze so geregelt, dass sie vor allem die Interessen der Männer absichern und weniger die Interessen der Frauen", sagt sie. Letztere wurden Unger zufolge von der Frauenbewegung hineinreklamiert und sind mittlerweile vielfach rechtlich berücksichtigt. Unger hebt im Gespräch die Familienrechtsreform 1975 hervor. Mit ihr wurden Mann und Frau in der Ehe gleichgestellt, und der Mann konnte seiner Frau nicht mehr verbieten zu arbeiten.

Unger sieht heutzutage zwar keinen großen sozialen Druck mehr zu heiraten, kritisiert aber, dass es einen indirekten Druck gebe. Sie bekomme mit, dass viele Feministinnen mit fünfzig oder sechzig Jahren noch heiraten, nachdem sie schon lange in einer Partnerschaft leben. "Das ist nicht unbedingt ein feministisches Projekt", sagt Unger. Vielmehr gebe es unabhängig von der Ehe bis heute keine geschlechtergerechte soziale Absicherung durch faire Arbeitsteilung und gerechte Entlohnung. Und deshalb würden viele Frauen dann doch noch heiraten. Trotzdem hält sie fest, dass es auch etwas Feministisches haben könne, "wenn ich einen Vertrag unterzeichne mit meinem Partner, um klarzustellen, wie mit den Kindern, dem Eigentum, dem Erwirtschafteten, den Sorgerechten umgegangen wird. Also all das, was in den Ehegesetzen geregelt ist."

Dass generell noch geheiratet wird, obwohl die Ehe eine alte Institution ist, verwundert sie nicht, zwischenmenschlich habe sich nichts geändert über die Zeit. "Menschen verlieben sich, Menschen beschließen, ein Leben miteinander zu verbringen, Menschen bekommen miteinander Kinder, und das ist zutiefst menschlich. Dass man dann dieses Zusammenleben und diese Beziehung in irgendeiner Form regeln möchte, ist, finde ich, nichts so Überraschendes."

Heirat ohne Liebe

Dabei stand sich zu lieben bei der Eheschließung lange Zeit nicht im Vordergrund. Im Mittelalter wurde die Ehe laut Neuwirth als eine Vereinbarung zwischen Großfamilien verstanden. Familienverbände seien durch die Heirat zusammengeschlossen worden, wirtschaftliche Interessen spielten dabei eine Rolle. Als typische Logik dieser Zeit sieht sie, dass die Eheschließenden nicht selbst entschieden, sondern verheiratet wurden. "Die katholische Kirche hat dann versucht, auch diese persönliche Ebene und die Zustimmungserfordernis wirklich beider Eheteile hineinzubringen", ergänzt Neuwirth.

Auch in der Zeit des entstehenden Bürgertums, etwa Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts, war die Liebesheirat nicht etabliert, wie Zartler erklärt: "Es wurde gesellschaftlich als höchst riskant eingestuft, eine Ehe auf so ein fragiles Fundament wie die Liebe zu gründen." Was nicht bedeuten solle, dass es im 19. Jahrhundert gar keine Liebesheiraten gab, so die Soziologin, aber als gesellschaftlich akzeptiertes Heiratsmotiv habe sich Liebe erst im Lauf der Zeit durchgesetzt.

Viele stehen hinter der Ehe

Heute zählt Familiensoziologin Zartler die Liebe und die Bestätigung der Beziehung genauso zu Heiratsmotivationen wie rationale Überlegungen ("Das ist rechtlich vernünftig") oder wertorientierte Heiratsmotive ("Das wird erwartet und gehört irgendwie dazu").

Was schließlich auch zur Beständigkeit der Ehe beiträgt, ist die Einstellung der Gesellschaft: "Wir sehen nach wie vor eine sehr hohe gesellschaftliche Akzeptanz der Ehe, die über viele Jahrhunderte ein erstrebenswerter Status war", so die Familiensoziologin, die auch erwähnt, dass verheiratete Personen nach wie vor positiver beurteilt würden als Singles. Häufig existiere die Vorstellung, dass früher so gut wie alle erwachsenen Menschen verheiratet waren, doch das war nicht der Fall. Neuwirth gibt ein Beispiel für Heiratsbeschränkungen in der k. u. k. Monarchie: Armeeangehörige mussten um Erlaubnis ansuchen. Das war im Interesse des Staates, denn: Starben Männer unverheiratet, waren keine Hinterbliebenenansprüche fällig. Wegen der zwölf Jahre umfassenden Dienstverpflichtung betraf das fast die gesamte männliche Bevölkerung ab dem 21. Lebensjahr. Frauen, die in der Monarchie im öffentlichen Dienst arbeiteten, etwa als Lehrerin, wurden gekündigt, wenn sie heirateten. Zusätzlich gab und gibt es eherechtliche Heiratsverbote, zum Beispiel eine bestehende Ehe. Zwischen 1938 und 1945 existierten in Österreich zudem rassistisch motivierte Verbote. So ließe sich argumentieren, dass eine Ehe für den Großteil der Bevölkerung erst nach dem Zweiten Weltkrieg rechtlich unproblematisch möglich war, so Neuwirth.

Wo noch Ungleichgewicht herrscht

Seit 2019 steht die Ehe noch mehr Menschen offen, denn seitdem können auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Trotzdem sehen die Expertinnen noch Potenzial, wie sich die Ehe weiterentwickeln könnte. Unger betont hierbei die neue Entwicklung von Patchworkfamilien, die ihrer Meinung nach zu wenig in die Gesetzgebung eingeflossen ist. Zartler kritisiert ein nach wie vor bestehendes Ungleichgewicht in der Ehe: "Auch wenn es seit mehreren Jahrzehnten eine rechtliche Gleichstellung beider Ehepartner bzw. Ehepartnerinnen gibt, haben wir nach wie vor auf der Verhaltensebene und auf der Familienebene keinesfalls eine Gleichstellung erreicht. Allein wenn man Care-Tätigkeiten betrachtet, zeigt sich ein enormes Ungleichgewicht." (Christina Rebhahn-Roither, 6.12.2022)