Ölförderung in der autonomen russischen Republik Tatarstan: Russisches Öl, das auf dem Seeweg zu den Abnehmern kommt, wird als Teil der westlichen Sanktionsmaßnahmen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine bei 60 Dollar je Fass gedeckelt.

Foto: imago / Yegor Aleyev

Es war kein leichtes Unterfangen, und die Zweifel, ob die Maßnahmen den gewünschten Effekt haben, sind noch nicht vom Tisch: Kurz vor der am Montag, 5. Dezember, in Kraft tretenden Sanktionierung von russischem Öl haben sich die EU-27 auf die Höhe des Preisdeckels geeinigt. 60 Dollar je Fass (159 Liter) und keinen Cent mehr sollen Abnehmer von russischem Öl zahlen, das wie im Fall von China oder Indien auf dem Seeweg dorthin gelangt.

Das Ziel ist, Moskaus Finanzen zu schaden und gleichzeitig einen starken Anstieg des Ölpreises zu vermeiden. Das wäre zweifellos der Fall, wenn russisches Öl aufgrund eines umfassenden Boykotts vom Weltmarkt genommen würde. Russland steht schließlich für etwa zehn Prozent der weltweiten Ölproduktion und ist nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Exporteur von Rohöl, aber auch ein wichtiger Lieferant von Derivaten – von Dieselkraftstoff bis Heizöl.

Auflagen für Versicherer, Reedereien

Versicherungsgesellschaften und andere Dienstleister wie Reedereien, die für den Transport von Öl notwendig sind, könnten nur dann mit russischem Rohöl handeln, wenn der Ölpreis bei oder unter der Obergrenze liegt. Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt in den G7-Ländern ansässig sind, würde es die Preisobergrenze Moskau sehr schwer machen, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen.

Zusätzlich ist nun ein Anpassungsmechanismus vorgesehen. Dieser soll sicherstellen, dass bei einem Sinken des Marktpreises unter die 60-Dollar-Marke russisches Öl mit einem Abschlag von fünf Prozent verkauft werden muss. Bei einem Marktpreis von 60 Dollar bekäme Russland nur 57 Dollar, bei einem Marktpreis von 50 Dollar wären es nur 47,5 Dollar. Das soll Russlands Einnahmen mindern und damit die Kriegführung erschweren.

Eine Obergrenze von 50 Dollar läge jedoch immer noch über den russischen Produktionskosten von 30 bis 40 Dollar je Fass. Das gebe Moskau einen Anreiz, weiter Öl zu verkaufen, einfach um zu vermeiden, dass Quellen mit Deckel verschlossen werden müssen, die möglicherweise schwer wieder in Betrieb zu nehmen sind.

Eine Gruppe osteuropäischer Länder, darunter Polen, hatten gefordert, den Preisdeckel deutlich niedriger bei 20 bis 25 Dollar je Fass anzusetzen. Sie bezweifeln, dass die nun ins Auge gefassten 60 Dollar als Preisobergrenze die erhoffte Wirkung entfalten, nämlich der russischen Staatskasse spürbar schaden.

Skeptisch, was das betrifft, ist auch Simone Tagliapietra, Experte für Energiepolitik bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. "Das wird fast unbemerkt bleiben", sagt Tagliapietra mit dem Hinweis, dass die Preisobergrenze nicht weit weg von der Marke eingezogen wird, wo jetzt schon russisches Öl gehandelt wird.

Russisches Öl mit Abschlag

Die russische Sorte Urals wird mit einem erheblichen Abschlag gegenüber der internationalen Benchmark Brent verkauft und fiel in dieser Woche zum ersten Mal seit Monaten auf unter 60 Dollar je Fass. Zum Wochenausklang wurde Urals bei knapp 66,50 Dollar gehandelt.

Der ursprüngliche Vorschlag der G7 sah in der Vorwoche eine Preisobergrenze von 65 bis 70 Dollar pro Fass vor. Von einem Anpassungsmechanismus war noch keine Rede.

Ein hochrangiger Beamter aus dem Kreis der G7 sagte am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters, ein Deal sei "sehr, sehr nahe" und solle in den kommenden Tagen und spätestens am Montag abgeschlossen werden. Der Beamte zeigte sich zuversichtlich, dass die Preisobergrenze die Fähigkeit Russlands einschränken wird, seinen Krieg gegen die Ukraine weiterzuführen.

Opec+ berät am Sonntag

Dem Vernehmen nach soll die Preisobergrenze Mitte Jänner und danach alle zwei Monate überprüft werden, um zu beurteilen, wie das System funktioniert. Gegebenenfalls könnte, sollte es zu Turbulenzen auf dem Ölmarkt kommen, entsprechend reagiert werden.

Geplant ist auch eine 45-tägige "Übergangsfrist" für Schiffe, die Rohöl russischen Ursprungs befördern, das vor dem 5. Dezember beladen und bis zum 19. Jänner an seinem endgültigen Bestimmungsort entladen wurde.

Diesen Sonntag trifft sich die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) in virtuellem Rahmen mit ihren Verbündeten (Opec+), zu denen auch Russland zählt, um über Produktionskürzungen zu beraten. Es wird allgemein erwartet, dass am jüngsten Ziel festgehalten wird, die Ölproduktion um zwei Millionen Fass am Tag zu reduzieren.

(Günther Strobl, 2.12.2022)