Die Landeshauptleute versammelten sich vor dem zweiten Adventwochenende in Wien und schrieben einen Wunschzettel – zwar nicht ans Christkind, aber beinahe. Die Länder wünschen sich eine Art Gaspreisbremse wie in Deutschland. Der Bund möge eine solche bitte schleunigst schaffen, sagten sie im Chor. Die Vehemenz, mit der alle neune dabei auftraten, lässt erahnen: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bund, gestressten Eltern in der Vorweihnachtszeit nicht unähnlich, nachgibt und den Wunsch eilfertig erfüllt. Da kommt etwas: Diesbezügliche Andeutungen machte Finanzminister Magnus Brunner einige Tage zuvor. So wird es wohl auch bei den anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen sein. Was die Länder wollen, bekommen sie in der Regel auch vom Bund.

Peter Kaiser (SPÖ), Markus Wallner (ÖVP), Thomas Stelzer (ÖVP), Michael Ludwig (SPÖ), LH Wilfried Haslauer (ÖVP), Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Christopher Drexler (ÖVP), Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Anton Mattle (ÖVP) bei der Landeshauptleute-Konferenz in Wien
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Im krassen Gegensatz dazu funktioniert es umgekehrt – nicht. Fordert der Bund einmal etwas von den Ländern, etwa eine gerechtere Verteilung von Asylwerbern auf das gesamte Bundesgebiet, geschieht wenig bis gar nichts. Rollt er ein Gesetzesvorhaben aus, das von den Ländern umgesetzt werden muss, etwa jenes zum Ausbau erneuerbarer Energien, geschieht dies nur äußerst zäh. Gibt man in der Google-Suche die Phrase "Länder legen sich quer" ein, erzielt man verblüffend viele Treffer. Nun heißt das nicht, dass die Bundesregierung stets konstruktiv agiert und die Länder destruktiv dagegenarbeiteten. Es gibt auch positive Beispiele der Zusammenarbeit. Dennoch: Wer wirklich mächtig ist im Staate Österreich, darüber herrscht kein Zweifel – die Bundesregierung ist es jedenfalls nicht.

Eigeninteressen

Das haben in den vergangenen Jahren auch einige Bundeskanzler bemerkt und versucht, das Problem auf ihre Weise zu lösen. Wolfgang Schüssel etwa umkreiste "seine" schwarzen Länderchefs stets "wie ein Hirte die Herde" und versuchte, renitente Zwischenrufer schon im Vorfeld zum Schweigen zu bringen. Sebastian Kurz verschaffte sich, auf der türkisen Messias-Welle surfend, das Durchgriffsrecht auf die Wahllisten der ÖVP, um so seine Gefolgsleute in Position bringen zu können. Das hat vorübergehend die Machtfülle der (schwarzen) Bundesländer gedämpft und den Eigeninteressen des jeweiligen Politikers genützt – aber nicht mehr.

Tatsächlich dringend nötig wäre eine Neudefinition des Föderalismus. Es gibt Doppelgleisigkeiten, Schwerfälligkeiten, aber auch strukturellen Reform-Unwillen. Das fängt bei der komplizierten, vielgliedrigen Finanzierung des Gesundheitssystems an, betrifft das schwerfällige Bildungssystem, befeuert zur Freude der FPÖ die ungelöste Asylfrage – und reicht bis zu den Ausgehzeiten für Jugendliche, die jedes Land anders festlegt.

Für alle föderalen Verästelungen gibt es gute Gründe – wenn man weder die Kosten- noch die Effizienzfrage stellt. Beides ist freilich nur eine Frage der Zeit – umso mehr, als die Menschen "der Politik" immer weniger vertrauen. Dieser Vertrauensverlust hat auch mit der Unzufriedenheit zu tun, dass im Land "nichts weitergeht", Doppelgleisigkeiten weiterbestehen und sich manche bürokratischen Hürdenläufe nie ändern.

Jahrzehntealte Konzepte für Bundesstaatsreformen vermodern in Schubladen und Archiven – geschehen ist nichts. Jetzt brennt der Hut. Immer mehr Menschen stellen das Funktionieren der Demokratie infrage. Wenn sich jetzt nichts ändert, wird sich vielleicht bald sehr viel ändern – und nicht zum Besseren. (Petra Stuiber, 3.12.2022)