Die EU bezog zuletzt rund ein Viertel ihres Rohöls aus Russland.

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Moskau – Russland werde den von EU, G7 und Australien vereinbarten Ölpreisdeckel nicht akzeptieren. Das teilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag laut der Nachrichtenagentur "Tass" mit. Russland werde den Deckel analysieren und Maßnahmen einleiten.

Deutlichere Worte fanden indes russische Diplomaten: "Von diesem Jahr an wird Europa ohne russisches Öl leben", hatte zuvor der russische Botschafter bei internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow, auf Telegram mitgeteilt. Die EU-Staaten und Australien haben sich auf einen Preisdeckel für russisches Öl von 60 Dollar (56,94 Euro) pro Barrel (159 Liter) geeinigt und damit einen Plan der sieben führenden Industriestaaten (G7) aufgenommen. Die EU bezog zuletzt rund ein Viertel ihres Rohöls aus Russland.

Russland sieht freien Markt verletzt

Durchgesetzt werden soll die Preisgrenze dadurch, dass Versicherungen und Reedereien sich an russischen Ölgeschäften nur beteiligen dürfen, wenn der Rohstoff für unter 60 Dollar pro Barrel verkauft wird. Russland hat einen Lieferboykott für Staaten angedeutet, die sich an einem Preisdeckel beteiligen.

Russland bezeichnet den geplanten Ölpreisdeckel als gefährlich und sieht darin einen Verstoß gegen die Gesetze des freien Marktes. Dadurch würden nur Unsicherheiten geschürt und Kosten für Rohstoffe in die Höhe getrieben, hatte es in einer Mitteilung der russischen Botschaft in den USA auf Telegram geheißen. Russisches Öl werde aber nach wie vor gefragt sein.

Starke Auswirkungen

Nach Einschätzung der Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) würde der Ölpreisdeckel Russlands Kriegskasse durchaus stark treffen. "Russland wird es empfindlich treffen, die Einnahmen werden nicht mehr so üppig sein", sagte sie am Samstag im Deutschlandfunk. Man dürfe nicht vergessen: "Russland hat jetzt gigantische Summen eingenommen in diesem Jahr durch die hohen Preise für fossile Energie insgesamt, dazu gehört auch Öl." Die Frage sei nur, "ob es so funktioniert, wie man es sich ausgedacht hat und wie auch letztendlich der Weltmarkt reagiert".

Um die Preisobergrenze durchzusetzen, soll geregelt werden, dass für russische Ölexporte wichtige Dienstleistungen künftig nur noch dann ungestraft geleistet werden dürfen, wenn der Preis des exportierten Öls die Preisobergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien könnten mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Drittstaaten wie Indien transportieren. Auch soll die Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste gelten.

Ukraine kritisiert Preisobergrenze als zu hoch

Die Ukraine bezeichnete die vom Westen beschlossene Preisobergrenze hingegen als zu hoch. Um die Wirtschaft des russischen Feindes schneller zu "zerstören", sei es notwendig, den Preis auf 30 US-Dollar zu reduzieren, teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Samstag in seinem Kanal des Nachrichtendienstes Telegram mit.

Zugleich begrüßte er, dass die G7, Australien und die EU diese Preisobergrenze für Öltransporte auf dem Seeweg beschlossen hätten. "Wir erreichen immer unser Ziel, und Russlands Wirtschaft wird dennoch zerstört werden. Und Russland wird selbst bezahlen und verantwortlich sein für Verbrechen", schrieb Jermak weiter.

"Keine ernsthafte Entscheidung"

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisiert den Preisdeckel. "Es ist keine ernsthafte Entscheidung, eine solche Obergrenze für die russischen Preise festzulegen", da diese für Moskau "komfortabel" sei, erklärte Selenskyj am Samstag.

"Russland hat bereits allen Ländern der Welt enorme Verluste zugefügt, indem es den Energiemarkt absichtlich destabilisiert hat", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Die Entscheidung für eine Preisobergrenze sei daher "eine schwache Position". Es sei "nur eine Frage der Zeit, bis ohnehin härtere Instrumente zum Einsatz kommen müssen", fügte Selenskyj hinzu. "Schade, dass diese Zeit verloren geht."

Ein Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel Öl ermögliche Russland immer noch Einnahmen von etwa hundert Milliarden Dollar pro Jahr, kritisierte Selenskyj. "Dieses Geld wird auch dazu verwendet werden, genau jene Länder weiter zu destabilisieren, die jetzt versuchen weitreichende Entscheidungen zu vermeiden." (APA, red, 3.12.2022)