Bondscoach Louis van Gaal peilt den ersten WM-Titel an.

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Steven Bergwijn wurde gegen die USA eingewechselt. Die Niederlande steht im Viertelfinale.

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Ar-Rayyan – Mit breitem Lächeln kehrte, nein, tanzte Louis van Gaal am Samstagabend ins Teamquartier zurück. Zu Shakiras Waka Waka wippte der 71-Jährige rhythmisch mit den Füßen im Takt, umarmte Hotelmitarbeiter. Der Bondscoach strahlte erleichtert. Sein Team, die niederländische Nationalmannschaft, hatte davor mit einem 3:1 gegen die USA das WM-Viertelfinale erreicht. Über das Wie gehen die Meinungen auseinander.

Van Basten kritisiert Spielweise

"Zwei tolle Tore, der Rest ist zum Heulen", urteilte Marco van Basten, Europameister 1988. "Als Fußballliebhaber habe ich mich gefragt: Was sehe ich mir da an? Null Initiative." Die niederländische Tageszeitung NRC beklagte "Polder-Catenaccio anstelle von Voetbal Totaal". Für die Jagd auf den so heiß begehrten Titel gebe die Elftal ihr Image auf.

Dieses feierte in den 1970ern Hochkonjunktur. Die Generation um Johan Cruyff stand für Dominanz, Offensive und Spektakel. Vor allem die heurige WM-Gruppenphase war das Gegenteil davon. Oranje quälte sich zu Platz eins. Gegen die USA brachte, nach Anfangsschwierigkeiten, ein traumhafter Spielzug die frühe Führung (10.), danach zog sich die Elftal zurück und verwaltete das Spiel trocken. Das ist die eine Sichtweise.

Defense wins championships.

Die andere: Die Truppe spielte im Achtelfinale äußerst abgezockt. Zurückziehen? Ja – aber warum auch nicht gegen einen einfallslosen Gegner? Die US-Hoffnung nach dem Anschlusstreffer (76.) erstickte Denzel Dumfries (81.) postwendend. Davy Klaassen sagt zur Stilfrage: "In erster Linie wollen wir gewinnen."

Oranje-Party bei der Rückkehr ins Hotel.

Nicht umsonst heißt es: Defense wins championships. Van Gaal setzt auf dieses neue Image. Das liegt auch am Kader. Anders als früher ist Oranje hinten mit Akteuren von Liverpool, Manchester City und Bayern München besser besetzt als vorne. Starstürmer Memphis Depay traf gegen die USA, gehört aber nicht der Kategorie Neymar und Mbappé an.

Klar ist: Jene, die der Offensividentität nachtrauern, könnte wohl nur die WM-Trophäe besänftigen. Ist der drin? Da gibt’s noch einige Zweifel. Hält die manchmal nicht sattelfeste Defensive auch gegen stärkere Angriffsreihen wirklich dicht? Und kreiert Oranje offensiv genug, wenn ein namhafter Gegner selbst auf eine kompakte Abwehr setzt? Das Viertelfinalduell gegen Argentinien und Lionel Messi am Freitag wird einige dieser Fragen beantworten. (Andreas Gstaltmeyr, 4.12.2022)