Geschätzt 500.000 waren es am Spittelberg, hochgerechnet 3,9 Millionen am Rathausplatz: So viele Besucherinnen und Besucher haben die dortigen Weihnachtsmärkte vor der Pandemie pro Saison verzeichnet. Waren derartige Zahlen in den beiden vergangenen Jahren wegen Corona in weiter Ferne, scheinen sie heuer durchaus greifbar. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, wenn man sich auf den Wiener Christkindlmärkten umsieht: Die Standln sind gut besucht, ein Fortkommen mitunter schwierig. Nach zwei Jahren des Abstandhaltens ist das ein durchaus ungewohntes Bild.

Am Spittelberg in Neubau, wo dieses Jahr Wiens größter Christkindlmarkt über die Bühne geht, zeigt man sich über das Gästeaufkommen erfreut. "Es ist so wie in anderen guten Jahren davor", heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem veranstaltenden Kulturverein Forum Spittelberg. "Die Leute sind gelassen und freuen sich, dass sie wieder hinausgehen können." Besucherinnenzählungen werden hier nicht vorgenommen – eine konkrete (Zwischen)Bilanz kann daher nicht kommuniziert werden.

Auffallend sei, dass die Stimmung heuer viel angenehmer, weil weniger hektisch als in den Hochphasen der Pandemie sei: "Die Leute schlendern friedlich und auch in einer gewissen Kaufstimmung über den Markt." Zur Erinnerung: 2020 wurden die Weihnachtsmärkte abgesagt, 2021 dann Schmalspurvarianten erlaubt.

Beim Kulturverein Forum Spittelberg erklärt man sich die gelöste Atmosphäre mit zwei Dingen. Erstens: Dem Wegfall von 3G-Kontrollen und die relative Gewissheit, dass die Märkte weiterhin offen bleiben. "Die Kontrollen haben doch einen gewissen Stress erzeugt, man musste sich immer wo anstellen. Und die Leuten hatten Angst, dass ihnen die Märkte vor der Nase zusperren, deshalb dachten viele: Get it while you can." Zweitens betrage der Becherpfand am Spittelberg lediglich zwei Euro. "Das hat das Geschäftsmodell der Häferlschnorrer zerstört."

Vergleich für Stadt-Wien-Marketing schwierig

Am Rathausplatz, ein paar Gehminuten weiter im ersten Bezirk, herrscht ebenfalls Zufriedenheit. "Der Markt wird sehr gut angenommen, die Rückmeldungen von den Standlern sind gut. Wir können nicht klagen", heißt es aus dem Stadt-Wien-Marketing. Dieses veranstaltet den Christkindlmarkt beim Rathaus heuer zum ersten Mal, davor war ein Verein zuständig. Neu sind unter anderem ein großes Karussell und ein schwebendes Herz, weiters wurde die Zahl der Stände um ein Drittel reduziert.

Das Stadt-Wien-Marketing, neuer Veranstalter des Marktes am Rathausplatz, zeigt sich zufrieden: "Wir können nicht klagen".
Foto: Stefanie Rachbauer

Aufgrund des neuen Konzepts sei ein Vergleich des Andrangs mit Prä-Corona-Zeiten für das Stadt-Wien-Marketing schwierig, sagt ein Sprecher. "Wir tun uns ein wenig schwer, weil wir das ja zum ersten Mal in der Form machen." Konkrete Besucherinnenzahlen sollen nach Ende des Markts am 26. Dezember vorgelegt werden.

Großer Durst auf Punsch, weniger auf Kunst

Renate Jindra-Metal vom Art Advent am Karlsplatz im vierten Bezirk fallen dieses Jahr besonders die Touristinnen und Touristen auf: "Es sind wahnsinnig viele da. Ich habe Australier, Briten, Italiener, Spanier gehört." Dazu kämen Gäste, die mit Bussen aus der Slowakei und Ungarn "herangekarrt" würden, wie es Jindra-Metal formuliert. Damit derartige Vehikel in der Vorweihnachtszeit nicht die Straßen in der Innenstadt verstopfen, besteht an den Adventsamstagen in den Bezirken 1 und 6-9 ein Busfahrverbot. Davon ausgenommen sind Busse, für die vorab eine Einfahrtskarte besorgt wurde – ausgegeben wird nur eine begrenzte Anzahl. Für den Verein Divina Art sind Gäste aus dem Ausland ein interessantes Publikum, er versucht sie gezielt auf den Markt zu locken: "Wir legen in guten Hotels Folder auf".

Am Karlsplatz könne heuer vor allem die Gastronomie zufrieden sein, sagt Jindra-Metal. Sie ist Keramikerin und hat selbst einen Kunsthandwerk-Stand, den Andrang auf Speis und Trank sieht sie nicht unbedingt positiv: "Die Punschstände werden überlaufen, aber das wirkt sich nicht auf die Umsätze der Kunsthandwerker hier aus." Vor Corona sei dies anders gewesen. Woher die Veränderung komme? Jindra-Metal erklärt sie sich mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine: "Die Leute sind hysterisch und kaufen dadurch weniger". (Stefanie Rachbauer, 4.12.2022)