Messi dirigiert, aber das Interesse an seinen Künsten war in Deutschland schon einmal ausgeprägter.

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Doha – Eine Fußball-WM als Nischenevent im Fernsehen? Die umstrittene Winter-Weltmeisterschaft von Katar könnte in Deutschland eine Zeitenwende einläuten. Erstmals überhaupt scheint eine Männer-Endrunde kein Selbstläufer im deutschen TV zu sein, die Quoten erfüllen nicht ansatzweise die Erwartungen, auch mit Beginn der Achtelfinals hat sich daran nichts geändert.

Das K.o.-Spiel am Samstagabend zwischen Argentinien und Australien (2:1) bescherte dem Ersten mit 4,71 Millionen Fußballfans (MA: 18,9 Prozent) eine mäßige Quote zur Primetime. Dabei spielte der argentinische Superstar Lionel Messi teilweise groß auf. Während in anderen Ländern die Wüsten-WM im Winter eine große Resonanz beschert, zeigt der Fan in Deutschland dem Turnier die kalte Schulter.

Quoten im ORF

Im ORF verfolgten am Samstag 672.000 Fans die erste Hälfte des Spiel zwischen Argentinien und Australien, was einem Marktanteil von 26 Prozent entspricht. In den zweiten 45 Minuten waren es 683.000 Zuseherinnen und Zuseher bzw. 25 Prozent Markanteil.

Die ORF-Livespiele der Fußball-WM-Gruppenphase haben durchschnittlich 398.000 TV-Zuschauer gesehen, das entspricht laut Angaben des Unternehmens vom Samstag einem Marktanteil von 23 Prozent. Den Topwert verzeichnete man beim Primetimespiel Spanien gegen Deutschland mit 944.000 Reichweite bzw. 30 Prozent Marktanteil. Dahinter folgen Costa Rica – Deutschland (850.000) und Brasilien – Serbien (681.000). Die Matches im Hauptabendprogramm sahen im Schnitt 593.000.

Auch im Online-Angebot lag das Match Spaniens gegen die Deutschen mit einer der Durchschnittsreichweite von 81.600 vorne, es war damit sogar der stärkste ORF-Live-Stream des bisherigen Jahres.

Wintersport

Vom Desinteresse in Deutschland profitieren dann sogar andere, kleine Sportarten. Der Wintersport war in Bezug auf die Quote am Samstag im Ersten nicht weit von der WM am Persischen Golf entfernt. Die ARD verzeichnete mit dem Biathlon-Weltcup (2,86 Millionen/MA: 26,5 Prozent bzw. 2,04/28,0), dem Langlauf-Weltcup (1,98/19,4) und dem Rodel-Weltcup (1,70/20,6) vier weitere Sport-Übertragungen unter den Top Ten.

Das Vorrunden-Aus des viermaligen Weltmeisters Deutschland könnte sich als riesige Hypothek für ARD und ZDF, aber auch den Streamingdienst Magenta TV (überträgt alle 64 WM-Partien) erweisen. "Die Leistungen und das Auftreten der DFB-Elf in der letzten Zeit scheinen also auch eine wichtige Rolle für das Zuschauer-Interesse zu spielen. Wir hoffen aber, dass dies in den nächsten Monaten mit Blick auf die EM 2024 in Deutschland wieder besser wird", sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky auf sid-Anfrage. Der "kontinuierliche Rückgang" der Zuschauerzahlen bei Länderspielen der deutschen Männer-Fußball-Nationalmannschaft sei nicht zu negieren, betonte Balkausky.

EM-Finale der deutschen Fußballerinnen

So ist schon bemerkenswert, dass das EM-Finale der deutschen Fußballerinnen mit 17,9 Millionen (MA: 64,8 Prozent) am 31. Juli immer noch die am meisten gesehene Übertragung in 2022 ist. Das 4:2 gegen Costa Rica und der damit verbundene K. o. der deutschen Elf in der Gruppenphase lockte "nur" 17,43 Millionen vor die TV-Geräte (MA: 53,7 Prozent).

Besserung ist kaum in Sicht. In der Vergangenheit wurden auch WM-Spiele ohne deutsche Beteiligung vom Zusehenden gerne konsumiert, Quoten im zweistelligen Millionenbereich waren auch hier gang und gäbe.

Anno 2022 ist das anders. Die Reichweiten liegen deutlich hinter den Zahlen der letzten WM-Turniere zurück. Straßenfeger-Qualität haben die WM-Spiele von Katar in Deutschland nicht. Ob sich das in den kommenden zwei Wochen noch ändert, darf stark bezweifelt werden. (sid, red, 4.12.2022)