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Geschäftsessen werden im Wandel der Arbeitswelt zwar nicht grüner, aber die New-Work-Bewegung macht sie kürzer und effizienter.
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Traditionen haben es in der Arbeitswelt zurzeit schwer: Wegen des Klimawandels und der Teuerungen müssen sich Unternehmen neu aufstellen, Energie sparen, nachhaltig produzieren und CO2 einsparen. Jede "grüne" Firma wird auch eher neue Angestellte finden: Jeder vierte Mensch in Österreich will aktiv zum Klimaschutz beitragen und lehnt es ab, bei klimaschädlichen Unternehmen zu arbeiten. Dazu kommt ab 2024 der verpflichtende Bericht zu Environmental, Social and Governance (ESG) – also zu Umwelt, Sozialem und richtiger Führung – in Unternehmen ab 250 Angestellten. Spätestens dann fällt auf, wer alteingesessene Systeme intern nicht modernisiert hat.

Eine Tradition jedoch scheint in der Wirtschaft ungebrochen. Das berühmte Geschäftsessen bleibt trotz Pandemie und Inflation ein wichtiger Bestandteil des Berufsalltags – oder des Geschäftserfolgs. Einerseits lässt sich gemeinsam über Zoom nicht wirklich zu Abend essen, andererseits hat das Geschäftsessen eine lange bewährte Kultur, die trockene Arbeits- oder Verkaufsgespräche auflockern soll. Bereits Ende der siebziger Jahre wurde das Four-Seasons-Hotel in New York für seinen Power-Lunch, ein speziell für Geschäftsessen gestaltetes Mittagskonzept, bekannt. Die Speisen sollten diskret und effizient zubereitet sein, um bekömmlich und passend für Geschäftsdeals zu sein. Gegrilltes und Salate kamen auf den Tisch, Speisen, die in nicht länger als zwölf Minuten zubereitet werden konnten.

Lage und Service gehen vor

Bei all dem grünen Umbruch in der Wirtschaft könnte sich auch die feine Tradition des "good meal, good deal" (dt.: "gutes Mahl, guter Deal") in vegane Superfood-Läden oder Bio-Cafés verlagern. Zumindest würde dies im Nachhaltigkeitsbericht eher glänzen als der Tafelspitz im Gasthaus.

Christian Havranek, Partner bei der Unternehmensberatung Deloitte in Wien, isst seit Jahrzehnten zusammen mit Geschäftspartnern. Aus seiner Erfahrung berichtet er, meistens wähle man ein Restaurant, welches sowohl Vegetarisches oder Veganes anbiete als auch Speisen mit Fleisch. Ein bisschen mehr Sensibilität bei der Auswahl gebe es schon. Eine Stelze im Schweizerhaus im Wiener Prater würde er nur auf dezidierten Wunsch eines Kunden essen gehen.

Traditionell kämen für ihn bekannte Restaurants im ersten Bezirk infrage, wegen der Lage und des meist zuverlässigen Services. Für die Landesvorsitzende des Wirtschaftsforums Niederösterreich und Co-Geschäftsführerin der Druckerei Bösmüller, Doris Bösmüller, ist ein gemeinsames Essen mit Kunden im Verkaufsprozess gang und gäbe.

Zum einen, um die Kundenbeziehung zu stärken, zum anderen, um sich auf dem Laufenden zu halten. Kulinarisch hätte sich in den Jahren kaum etwas verändert, es zähle die geografische Lage des Restaurants und die Abwechslung. Es kann asiatisch sein, aber auch ein neu eröffnetes Restaurant, welches sie noch nicht kennt. Abends stehe für sie das Essen mehr im Hintergrund, meist wird auch nichts Geschäftliches mehr besprochen, es wird eher feierlich.

Treffen werden kürzer und eiffizienter

Kommen neben elektrischen Dienstautos und Energieeinsparungen jetzt auch die grüneren Geschäftsessen? Eher bleibt hier alles beim Alten. Das New Work, der moderne Umbruch der Arbeitswelt, findet sich aber auch hier wieder. "Ich glaube, dass die große Epoche der stundenlangen Mittag- oder Abendgeschäftsessen tendenziell vorbei sind", sagt Havranek. "Das ist allerdings eine Entwicklung, die es auch vor Corona schon gab."

Es könnte mit dem Umgang mit Zeit zu tun haben. "Der Abend ist mehr in das Private gerutscht." Auch für Bösmüller zählt, ob sie aus dem Homeoffice arbeitet oder im Büro. "Wenn ich bereits zu Hause bin, ist es nicht so einfach, noch ein Treffen zu koordinieren, wie wenn ich vom Büro aus losgehen kann."

Dafür würde das gemeinsame Frühstück im Café mehr in den Vordergrund rücken. Man müsse sich nicht mehr mehrere Stunden für ein feines Dinner Zeit nehmen. Es würden 45 Minuten mit leichtem Gebäck und Kaffee reichen und dabei ebenfalls die wichtige Agenda besprochen werden.

Start-ups essen auch im Co-Working-Space

Auf eine eher lockere Atmosphäre legt der Nachwuchs der Wirtschaft Wert. Ein typisches Geschäftsessen gibt es hier nicht mehr. Hannah Wundsam, Leiterin des Thinktanks und der Start-up-Plattform Austrian Start-ups, trifft Geschäftspartner oder andere Start-ups meist auf Veranstaltungen. Auch dort kann gemeinsam gegessen und gleich mehrere Menschen auf einmal getroffen werden. Sonst gibt es Kaffee und Snacks auch beim gemeinsamen Austausch im Co-Working-Space. Beliebt sei bei jungen Unternehmen auch, gemeinsam etwas zu bestellen und in den eigenen Büroräumlichkeiten zu essen. Dafür würden manche – zumindest in Wien – beispielsweise den vegetarischen Lastenrad-Lieferdienst Rita bringt’s nutzen.

Geschäftsessen werden also kürzer und pragmatischer. Aber auch das Thema Compliance, also die Regelkonformität, sei in vielen Unternehmen strenger geworden. Vor allem öffentlich Bedienstete müssten Ausgaben genau begründen. Auch die nette Einladung ins Steirereck im ersten Bezirk in Wien (bekannt für feine Geschäftstreffen) müsste sich jeder penibel selbst zahlen. Havranek habe auch erlebt, wie große öffentliche Auftraggeber mit langen Verträgen und Millionenbeträgen meinten, nicht einmal ein Mittagessen ginge für sie in Ordnung. Möglicherweise ist das eine Sparmaßnahme. Der Nachhaltigkeit bekommt es zumindest nicht schlecht. (Melanie Raidl, 7.12.2022)