Es war eine Meldung, die am Sonntag zunächst nur zögerlich von wenigen internationalen Medien aufgegriffen wurde: Laut iranischer Generalstaatsanwaltschaft sei die umstrittene Sittenpolizei "aufgelöst" worden. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Als Quelle für die Nachricht fungierten die Zeitung Shargh – auf die sich die Deutsche Presse-Agentur berief – und die Iranian Students News Agency (Insa), die die italienische Agentur Ansa anführte.

Die iranische Sittenpolizei, bei der auch Frauen im Einsatz sind (Archivfoto von 2007), steht im Mittelpunkt der aktuellen Proteste.
Foto: Foto: AFP/Behrouz Mehri

Beide iranische Medien beriefen sich auf Generalstaatsanwalt Mohammad Jafar Montazeri, der gesagt habe, die Institution sei von den "zuständigen Autoritäten" abgeschafft worden. Die auf Nachrichten aus dem Bildungsbereich spezialisierte Insa zitierte den hohen Justizbeamten mit den Worten: "Die Sittenpolizei hat nichts mit der Justiz zu tun und wurde von denen, die sie geschaffen haben, abgeschafft." Laut der Zeitung Shargh versicherte Montazeri, man werde sich weiterhin mit "dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen".

Gemeint ist damit offensichtlich der Zwang für Frauen, sich gemäß den strengen Regeln zu kleiden und ein Kopftuch zu tragen – und dass die "Auflösung" einer Polizeieinheit wohl nicht das Ende eines bestimmten politischen Kurses bedeutet.

Aufruf zum dreitägigen Streik

Demonstranten riefen am Sonntag zu einem dreitägigen Streik auf, der in Kundgebungen bei einem öffentlichen Auftritt des Präsidenten Ebrahim Raisi am kommenden Mittwoch münden soll. Dieser soll am Sonntag einen Krisengipfel mit seinen Ministern einberufen haben. Laut Medienberichten solle sogar ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, der die Gründe für die seit mehr als zwei Monaten andauernden Proteste im Iran klären soll.

Tatsächlich sind die Gründe aber wohl bekannt: Mitte September wurde die 22-jährige Mahsa Amini verhaftet, weil trotz ihres Kopftuchs ein paar Haarsträhnen zu sehen gewesen seien. Amini starb wenige Tage später in Gewahrsam der Sittenpolizei – seitdem protestieren im Iran Menschen gegen Folterjustiz, Polizeiwillkür und das rigide islamische System im Land.

Seit Beginn der Demonstrationen wurden laut Menschenrechtsgruppen fast 500 Demonstrierende getötet, darunter 64 Kinder. Auch 60 Sicherheitskräfte kamen demnach ums Leben. Die offiziellen Angaben sind widersprüchlich, liegen jedenfalls deutlich darunter.

Weitere Festnahmen

Nachdem schon Ende vergangener Woche die bekannte Regisseurin, Film- und Theaterschauspielerin Soheil Golestani und der Theaterregisseur Hamid Pourazari verhaftet worden waren, wurde am Samstag im Zuge einer Hausdurchsuchung auch deren Kollegin Mitra Hajjar festgenommen – auch das berichtete Shargh unter Berufung auf eine Organisation, die Festnahmen von Künstlern dokumentiert.

Auf die Festnahme von Golestani und Pourazari hatten Studierende via Twitter mit einem Protestvideo reagiert, das die Botschaft transportierte: "Das Spiel endet, und die Wahrheit kommt ans Licht."

Unterdessen wurden nach Angabe der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna am Wochenende vier Personen hingerichtet, die für den israelischen Geheimdienst spioniert haben und an Entführungen beteiligt gewesen sein sollen. Drei weitere Personen wurden Berichten zufolge zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. (red, 5.12.2022)