Dass sich das Kriegsgeschehen in der Ukraine in den kommenden Wochen und Monaten weiter verlangsamen wird, ist zum Teil den winterlichen Bedingungen geschuldet – diesbezüglich ist die jüngste Analyse der US-Geheimdienste nicht weiter überraschend. Sehr wohl bemerkenswert ist hingegen der Umstand, dass der Rückhalt für den Feldzug in der russischen Bevölkerung offenbar immer weiter schwindet – trotz massiver Beeinflussung der Medien des Landes durch den Staatsapparat. Oder gerade deswegen.

Avril Haines: _"Es ist uns immer noch nicht klar, ob Putin zum jetzigen Zeitpunkt ein vollständiges Bild hat."
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Avril Haines, die Direktorin der 17 nationalen Geheimdienste der USA, berichtete am Wochenende beim Reagan National Defense Forum in Kalifornien, dass der russische Präsident Wladimir Putin über die – aus seiner Sicht – mangelhafte Bilanz seiner Truppen ganz offensichtlich überrascht sei.

Ist Putin gut informiert?

Das werfe die Frage auf, wie gut der russische Präsident informiert sei beziehungsweise informiert werde. Haines:_"Es ist uns immer noch nicht klar, ob er zum jetzigen Zeitpunkt ein vollständiges Bild hat. Wir sehen Knappheit bei Moral, Munition und Logistik und eine ganze Reihe weiterer Probleme, mit denen sie konfrontiert sind." Russland scheine seine militärischen Vorräte "ziemlich schnell" aufzubrauchen.

Gleichzeitig falle es der politischen und militärischen Führung in_Moskau immer schwerer, den Krieg innenpolitisch zu rechtfertigen. Dieses Manko dürfte – zumindest bisher – aber nicht dazu geführt haben, dass im Kreml konkret über eine Adaptierung der politischen Ziele nachgedacht wird, so Haines.

Vor diesem Hintergrund wurde der unangekündigte Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu in_Belarus besonders aufmerksam verfolgt. Internationale Beobachter vermuteten am Sonntag, dass Moskau versuchen könnte, das Kommando über die Truppen des verbündeten_Staates komplett zu übernehmen. Bisher konnte Machthaber Alexander Lukaschenko eine direkte Involvierung von_Belarus in den Krieg vermeiden. (Gianluca Wallisch, 4.12.2022)