Nur noch 2,5 Hektar pro Tag, und zwar bundesweit – so lautet seit 20 Jahren das Ziel beim Bodenverbrauch, 2010 hätte es eigentlich schon eingehalten werden müssen. Doch 2,5 Hektar Boden werden allein in Niederösterreich jeden Tag in Anspruch genommen.

Foto: iStockphoto.com

Tag für Tag, Jahr für Jahr geht in Österreich viel Boden unwiederbringlich verloren. Auch 2021 wurden wieder täglich zehn Hektar in Österreich beansprucht, mehr als die Hälfte davon (5,8 Hektar) wurde versiegelt, diese Zahlen gab das Umweltbundesamt am Freitag bekannt – kurz vor dem Weltbodentag am heutigen Montag.

Politische Abstimmung fehlt

Das Thema ist also wieder auf dem Tapet, Umweltorganisationen nutzen das und fordern eindringlich die im Vorjahr von der Politik versprochene Bodenstrategie ein. Im Oktober 2021 hieß es nämlich auf einer politischen Sitzung der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), man wolle sich dafür ein Jahr Zeit geben.

Auf fachlicher Ebene sei diese eigentlich auch bereits fertig, sagt Arthur Kanonier, Raumordnungsprofessor an der TU Wien, dem STANDARD. Was fehle, sei die politische Abstimmung. Sie läuft über die ÖROK, in der alle Ministerien, Bundesländer sowie Städte- und Gemeindebund organisiert sind. Dass hier vor allem der Gemeindebund bei dem Thema auf der Bremse steht, wurde erst vor wenigen Tagen wieder deutlich. Die Umweltorganisation WWF präsentierte eine Umfrage, wonach eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher für eine Änderung der Widmungskompetenzen eintreten würden, diese sollten weg von den Gemeinden und hin zu den Ländern oder dem Bund wandern. Die Antwort des Gemeindebunds fiel freundlich, aber bestimmt aus: "Die Raumordnung ist gut und richtig bei den Gemeinden aufgehoben. Und so soll es auch bleiben."

Anhaltende Debatte über Kompetenzen

Schon im September hatte es dieselbe, damals ungleich heftiger geführte Debatte gegeben, als Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) via STANDARD eine Kompetenzverlagerung andachte. Auch damals empörte sich der Gemeindebund, doch es gab auch Unterstützung, etwa von den Neos.

Kanonier sieht die Sache pragmatisch: Die nötigen Beschlüsse sollen ruhig weiter in den Gemeinderäten gefasst werden. "Doch es braucht viel mehr und viel bessere Vorgaben von oben."

Fixe Kontingente für die Bundesländer?

Die wohl strengste Vorgabe wären fixe Kontingente beim Bodenverbrauch für jedes Bundesland. Der Zielwert lautet maximal 2,5 Hektar pro Tag bundesweit, "doch der Bund hat hier gar keine Zuständigkeit", bemängelt Kanonier – in Ermangelung eines Bundesraumordnungsgesetzes, wie es etwa in der Schweiz existiert (siehe Artikel). "Die Länder müssen das untereinander ausmachen."

Dass die Bodenstrategie solche Kontingente enthalten wird, gilt jedenfalls vorerst als ausgeschlossen. Und auch die Frage von Kompetenzverschiebungen wird kaum ein Thema sein.

Was sollte aber in der Bodenstrategie enthalten sein? "Verbindliche Siedlungsgrenzen für ganz Österreich" nennt Kanonier, außerdem Rückwidmungen, auch in Form von Ausgleichsmechanismen, dass also für neues Bauland anderswo rückgewidmet werden muss. Und die verpflichtende Innen- vor Außenentwicklung, um Ortskerne zu stärken. Doch eins ist für Kanonier auch klar: "Wenn das alles umgesetzt wird, müssen die Gemeinden besser an Flächen herankommen." Derzeit ist es kaum möglich, Bauland zu mobilisieren, wenn der Eigentümer oder die Eigentümerin dies nicht will.

Flächenrecycling läuft an

Was ebenfalls helfen könnte, Boden zu sparen, ist das sogenannte Flächenrecycling, also das Wiedernutzen bereits bebauter, aber brachliegender Strukturen. Konzepte dafür werden seit kurzem vom Klimaschutzministerium gefördert, acht Millionen Euro stehen dafür bis 2025 bereit. Zwölf Anträge mit einem Gesamtvolumen von 400.000 Euro wurden in den ersten beiden Sitzungen heuer genehmigt. (Martin Putschögl, 5.12.2022)