In den vergangenen Monaten habe es immer wieder Fälle von extremer Raserei gegeben.

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In Nachbarländern wie Italien oder der Schweiz ist es bereits gelebte Praxis, nun soll es auch in Österreich passieren: Autos von Rasern sollen künftig beschlagnahmt werden. Das kündigte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Montag an. "Es gibt eine Geschwindigkeit, bei der wird das Auto zur Waffe", sagte sie. Diese wolle man Rasern "sofort und dauerhaft abnehmen können".

Fährt jemand um mehr als 60 Stundenkilometer über dem Tempolimit innerhalb eines Ortsgebiets – oder 70 Stundenkilometer außerhalb –, so wird künftig das Auto direkt vor Ort von der Polizei beschlagnahmt. Auch der Führerschein wird abgenommen.

Innerhalb von zwei Wochen sollen die jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörden dann prüfen, ob es sich um eine Wiederholungstat handelt. Kam es in der Vergangenheit bereits zu einer extremen Geschwindigkeitsübertretung, wird das Fahrzeug gänzlich abgenommen. Als Beispiel nennt die Ministerin Menschen, die mehrfach mit 110 km/h durch ein Ortsgebiet rasen. Fährt jemand mit mehr als 80 bzw. 90 Stundenkilometern über dem Tempolimit, wird das Auto schon beim ersten Vergehen permanent beschlagnahmt – etwa jemand, der mit 220 km/h über die Autobahn schnellt.

"Wer kein Auto mehr hat, kann nicht mehr rasen", sagte Gewessler. Bei vielen Rasern sei das Auto in gewisser Weise "Teil der Identität", so die Ministerin. Demnach hätte die neue Maßnahme auch eine abschreckende Wirkung. "Bei den Geschwindigkeiten, von denen wir hier reden, hat im Straßenverkehr niemand mehr die Kontrolle." Gewessler rechnet mit 400 bis 450 Personen im Jahr, bei denen die neuen Bestimmungen anwendbar wären.

Führerschein abgenommen

Problematisch sei, wenn das Auto etwa gemietet oder über Leasing in Anspruch genommen wurde – oder, wenn es zum Beispiel den Eltern gehört. "In das Eigentumsrecht Dritter ließe sich nicht eingreifen", sagte der ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger, in dieser Frage suche man auch im Begutachtungsprozess nach möglichen Vorschlägen.

Zusätzlich zur Beschlagnahme wird im Führerscheingesetz vorgesehen, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 km/h innerorts bzw. 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets der Führerschein jedenfalls vorläufig abzunehmen ist. Bisher ist dies eine Ermessensentscheidung des einschreitenden Beamten.

"Da der Führerschein in einem solchen Fall beschlagnahmt wird, wird es aber sowieso nicht möglich sein, ein Auto zu leasen oder zu mieten", sagte Gewessler. Auch sei das Auto für zwei Wochen unabhängig vom Eigentum auch in solchen Fällen beschlagnahmt, fügte der Salzburger Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP) hinzu.

Er erinnerte an einen Verkehrsunfall im April 2020, als durch einen "rücksichtlosen Raser" eine 27 Jahre alte Frau gestorben ist. "Der Unfall hat uns damals vor Augen geführt, dass die gesetzliche Grundlage bei Weitem nicht ausreichend ist", sagte er am Montag. Für extreme Raser sei das Fahrzeug "das Heiligtum". Dass dieses künftig beschlagnahmt und veräußert werden kann, habe eine "präventive Wirkung". Auch gegen ausländische Lenker habe man künftig mehr Handhabe.

Autos, die permanent beschlagnahmt werden, sollen daraufhin versteigert werden. 70 Prozent der Einnahmen gehen an den Verkehrssicherheitsfonds, 30 Prozent an die jeweilige Gebietskörperschaft. Der Verfall eines beschlagnahmten Fahrzeugs ist zusätzlich zu einer Geldstrafe vorgesehen.

Extreme Raserei

In den vergangenen Monaten habe es immer wieder Fälle von extremer Raserei gegeben, etwa sei ein Mann in Niederösterreich auf einer Straße mit 100 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit mit 221 km/h unterwegs gewesen, in Wien fuhr jemand mit 104 statt 30 km/h. "Es ist kein Kavaliersdelikt, so zu rasen und damit, vielleicht noch im Umkreis einer Schule, im vollen Bewusstsein die Gefährdung von Kindern und anderen Verkehrsteilnehmern in Kauf zu nehmen", sagte Ottenschläger.

Das neue Gesetz ist Teil eines breiteren Maßnahmenpakets gegen Raserei – dazu gehören etwa auch höhere Strafen und eine längere Führerscheinentzugsdauer. Die Novellen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und des Führerscheingesetzes (FSG) schickt das Ministerium nun in eine sechswöchige Begutachtung. Die Stellungnahmen sollen dann eingearbeitet und die Novellen möglichst zügig in Kraft treten, sagte Gewessler ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen.

Der Verkehrsclub VCÖ begrüßte das Vorhaben, man sehe darin einen Schritt, um Verkehrsteilnehmende "vor Extremrasern besser zu schützen". Allerdings sei die Grenze bis zur Beschlagnahmung zu hoch angesetzt. Das Geld aus Versteigerungen soll etwa für Anrufsammeltaxis eingesetzt werden, schlägt der Verein vor.

Kritik

Kritik an der angekündigten Gesetzesänderung übt der ARBÖ. Diese könne demnach zu "unverhältnismäßiger Bestrafung führen". "Die Beschlagnahmung ist als Strafe zu werten. Daher zahlt jemand, dessen 1.000-Euro-Fahrzeug beschlagnahmt wird eigentlich viel weniger Strafe als jemand, der sein 100.000 Euro-Auto abgeben muss", meinte Generalsekretär Gerald Kumnig. Zusätzlich zum Problem mit unterschiedlichen Strafhöhen sieht der ARBÖ auch Herausforderungen bei Leasing- oder Leihfahrzeugen. "Und letztlich wird sich jeder sehr gut überlegen, ob er sein Fahrzeug im privaten Umfeld verborgen möchte, wenn es möglicherweise nicht mehr zurückkommt", meinte Kumnig.

Der ÖAMTC sieht einen Zugriff auf fremdes Eigentum "klar verfassungswidrig". Wir glauben daher, dass eine grundlegende Überarbeitung notwendig werden wird, denn eine Verwaltungsbehörde wird diese neuen Vorgaben eventuell ressourcentechnisch nur schwer umsetzen können", meinte Martin Hoffer, Leiter der Rechtsdienste. Er ortete außerdem Kapazitätsprobleme bei der Überwachung der Roadrunner-Szene. "Kontrollen sind entscheidend", sagte Hoffer. Der ÖAMTC verwies außerdem darauf, dass in Nachbarländern wie der Schweiz oder Deutschland Beschlagnahmen von Fahrzeugen mit Gerichtszuständigkeit und der Verpflichtung, den Veräußerungserlös, der die Strafdrohung übersteigt, an den Besitzer zurückzuzahlen, durchgeführt werden. (muz, 5.12.2022)