In London demonstrieren Menschen regelmäßig für die Freilassung von Julian Assange.

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Findet sich endlich eine politische Lösung für Julian Assange? "Enough is enough", es sei nun genug, hat der australische Premierminister Anthony Albanese dieser Tage gesagt. Persönlich habe er bei der Regierung von US-Präsident Joe Biden für ein Ende des langwierigen Strafverfahrens gegen den Wikileaks-Gründer geworben. Der 51-Jährige sitzt seit annähernd vier Jahren in London in Straf- und Auslieferungshaft, zwölf Jahre nachdem seine Enthüllungsplattform Wikileaks umfassende Informationen über US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und dem Irak veröffentlicht hatte.

Erst vor kurzem haben einstige Helfermedien von Wikileaks wie der britische "Guardian" und die "New York Times" für die Freilassung des depressiven und suizidgefährdeten Aktivisten geworben – insofern bemerkenswert, als die ursprünglich gute Zusammenarbeit in Zerwürfnissen geendet hatte.

Die USA haben von Großbritannien die Überstellung des australischen Staatsbürgers gefordert, dem Computerhacking und Spionage zur Last gelegt werden. Die Londoner Gerichte beschäftigt Assange seit 2010, als zunächst Schweden seine Auslieferung wegen angeblicher Sexualdelikte forderte. Seither muss Assange auf seine Freiheit verzichten: zwei Jahre Hausarrest, sieben Jahre Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors, seit April 2019 die Straf- und Auslieferungshaft.

Viele Unterstützer weltweit

Albaneses Meinung war schon aus seiner Zeit als Oppositionsführer bekannt. Seit seinem Wahlsieg im Mai aber hatte sich der Labour-Politiker nicht mehr zu seinem prominenten Staatsbürger geäußert. Im Parlament von Canberra beantwortete der Regierungschef eine Anfrage der unabhängigen Abgeordneten Monique Ryan. Parteiübergreifend haben sich Abgeordnete in Assanges Heimat, aber auch in vielen anderen Ländern für das Wohl des Wikileaks-Gründers eingesetzt.

Anthony Albanese ist schon aus früheren Zeiten als Unterstützer Assanges bekannt. Seit er Premier ist, hat er aber zu der Causa geschwiegen.
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Ryans Meinung, wonach Assange nur "durch eine politische Intervention" seine Freiheit erhalten könne, stimmte Albanese implizit zu. Zwar habe er keine Sympathie für einige von Assanges Aktionen – gemeint waren wohl die gegen Hillary Clinton gerichteten Enthüllungen, die 2016 zur Wahlniederlage der demokratischen Kandidatin gegen Donald Trump beitrugen. "Aber nun ist es Zeit, die Sache zu einem Ende zu bringen", betonte der Premierminister.

Manning schweigt aus rechtlichen Gründen

Ausdrücklich verglich Albanese die Lage des noch immer inhaftierten Assange mit dem Schicksal seiner ursprünglichen Informantin. Chelsea Manning, damals als US-Soldat Bradley Manning, hatte Wikileaks die brisanten Informationen zugespielt. Sie wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt, kam aber durch eine Begnadigung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama frei. Auf einer Veranstaltung anlässlich ihrer kürzlich veröffentlichten Memoiren saß Manning in London unter einem "Free Assange"-Poster, lehnte aber ein Gespräch über die Causa "aus rechtlichen Gründen" ab.

Den Rechtsweg beschreiten der Inhaftierte und seine Anwältin und Frau Stella Assange weiterhin unbeirrt, trotz aller Rückschläge. Derzeit sind Einsprüche gegen die bereits genehmigte Auslieferung an die USA vor dem Londoner High Court sowie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängig. Währenddessen bereitet sich der 51-Jährige darauf vor, das vierte Jahr hinter den Gittern des Londoner Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh zu verbringen.

Auslieferung verweigert

Das Londoner Bezirksgericht hatte die Auslieferung zunächst verweigert. Neben Assanges fragilem Gesundheitszustand spielte dabei die Schilderung der harschen Haftbedingungen in US-Gefängnissen eine entscheidende Rolle. Dem Appellationsgericht legte Washington dann vor Jahresfrist "feierliche" Versprechungen vor: keine Einzelhaft; keine der berüchtigten "speziellen Behandlungsmethoden" (SAMs) à la Guantánamo Bay; kein Hochsicherheitsgefängnis. Sollte Assange verurteilt werden, dürfe er die Haftstrafe in seiner australischen Heimat absitzen. Diese Versprechungen der US-Vertreter wurden von Amnesty International als "von Grund auf unseriös" bezeichnet.

Albaneses Initiative könnte Bewegung bringen in eine justiziell festgefahrene Situation. Allerdings scheinen seine Unterstützer eine frühzeitige Lösung für den Inhaftierten nicht für wahrscheinlich zu halten: Schon jetzt planen sie in London einen Karnevalsumzug für Assange im kommenden Februar. (Sebastian Borger aus London, 5.12.2022)