Anwaltspräsident Armenak Utudjian und Justizministerin Alma Zadić verhandeln über höhere Anwaltstarife.
Foto: Robert Newald / Heribert Corn

Wenn sich Justizministerium und Anwaltskammer streiten, geht es meistens entweder um Beschuldigtenrechte oder um Geld. Derzeit spießt es sich an beiden Ecken: Dass die Kammer kürzlich einen detaillierten Reformvorschlag für Handysicherstellungen präsentierte, ohne das Ministerium zu informieren, stieß dort auf wenig Gegenliebe. Und auch in der Frage des Geldes gibt es Wickel zwischen Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Anwaltspräsident Armenak Utudjian.

Mehr Geld für Anwaltschaft

Als der Wirtschaftsanwalt Ende September als Nachfolger von Rupert Wolff zum neuen Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (Örak) gewählt wurde, ließ er sogleich mit drastischen Forderungen aufhorchen. Sein Berufsstand brauche dringend mehr Geld: eine Anpassung der Pauschalvergütung für Verfahrenshilfen und eine Wertsicherung der Anwaltstarife. Dass das Ministerium hier seit Jahren untätig sei, "könne man nicht weiter hinnehmen".

Als erste Amtshandlung setzte Utdujian deshalb die Erste Anwaltliche Auskunft aus. Menschen, die kostenlos einen ersten rechtlichen Rat einholen wollen, werden nun an die Gerichte verwiesen. Das Serviceangebot sei unter den aktuellen Bedingungen nicht weiter aufrechtzuerhalten; dessen Streichung zugleich aber auch eine "Protestmaßnahme", betonte die Kammer in einer Aussendung: "Wir sind bereit, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Justizpolitik wieder in die richtigen Bahnen zu lenken."

Aufstockung der Vergütung

Zumindest in einem Punkt dürfte das Justizministerium der Anwaltskammer nun entgegenkommen. Wie DER STANDARD erfuhr, wird die allgemeine Pauschalvergütung von derzeit 21 Millionen Euro pro Jahr ab 2023 auf 23 Millionen Euro aufgestockt. Diese Pauschalvergütung bezahlt der Bund der Anwaltskammer als Ausgleich für Verfahrenshilfen. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind ja verpflichtet, Menschen zu vertreten, die sich die Anwaltskosten nicht leisten können – sowohl in Straf- als auch in Zivilprozessen. Die Vergütung fließt direkt an die Kammer und finanziert dort teilweise das anwaltliche Pensionssystem. Gefordert hatte die Kammer eine Erhöhung um zehn Prozent. Die Aufstockung um zwei Millionen jährlich liegt nun leicht unter dieser Marke.

Bei der Erhöhung der gesetzlichen Anwaltstarife herrscht dagegen weiterhin Uneinigkeit. Die Wiedereinführung der Ersten Anwaltlichen Auskunft kommt deshalb vorerst nicht infrage, heißt es seitens der Kammer. Die Sätze seien seit Anfang 2016 nicht mehr erhöht worden. Mittlerweile sei aufgrund der Inflation ein Wertverlust von rund 25 Prozent eingetreten.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ist "überrascht vom neuen Stil" des Anwaltspräsidenten Armenak Utudjian.
Foto: Robert Newald / Heribert Corn

Steigende Tarife

Die gesetzlichen Anwaltstarife sind an sich nicht verpflichtend. Anwältinnen und Anwälte können ihr Honorar frei vereinbaren. Dennoch orientieren sich viele an den gesetzlichen Vorgaben. Kritiker befürchten deshalb, dass die Anwaltschaft eine Anpassung der Leistungstarife dazu nutzen könnte, ihre Honorare, die in den letzten Jahren laufend erhöht wurden, noch einmal deutlich nach oben zu schrauben.

Direkte Auswirkungen haben die gesetzlichen Tarife zudem auf anderer Ebene: Mandanten, die in Zivilprozessen gewinnen, bekommen in Österreich vom unterlegenen Gegner Kostenersatz. Dieser Anspruch wird anhand der Anwaltstarife bestimmt. Das Problem: Mandanten bezahlen schon jetzt höhere Honorare, die an die Inflation angepasst wurden. Der Kostenersatz hat sich jedoch seit Jahren nicht verändert.

Gespräche laufen noch

Aus dem Ministerium heißt es, dass man die Anliegen der Anwaltschaft kenne und "grundsätzliches Verständnis" dafür habe. Angesichts der Wirtschaftslage müssten Tariferhöhungen, die letztlich die Bürgerinnen und Bürger tragen, aber "behutsam und eingehend evaluiert und mit allen diskutiert werden".

Derzeit führen Anwaltskammer und Justizministerium Gespräche. Die Stimmung zwischen Utudjian und Zadić könnte allerdings besser sein. Als der Anwaltspräsident Ende September in den Raum gestellt hatte, Aktenleaks kämen häufig aus dem "Behördenbereich", zeigte sich die Ministerin im Standard-Interview "überrascht vom neuen Stil". Mit Utudjians Vorgänger habe sie "immer sachlich und konstruktiv zusammengearbeitet. (Jakob Pflügl, 5.12.2022)