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Morgens fühlt man sich wie gerädert, und das Konzentrieren fällt deutlich schwerer. So geht es vielen Menschen, die selbst schnarchen – aber auch ihren Bettpartnern und Bettpartnerinnen. Denn das Schnarchen kann nicht nur für die Schnarchenden selbst zum Problem werden, auch die Mitmenschen leiden darunter. Vom leichten Säuseln bis hin zum Pegel eines Presslufthammers kann alles dabei sein. Der lauteste bis jetzt gemessene Schnarcher steht sogar im Guinessbuch der Rekorde – beim Schweden Kåre Walkert wurden 93 Dezibel gemessen. Das übertrifft einen Presslufthammer sogar noch.

Zur Erklärung: Rhonchopathie, so der Fachbergriff für Schnarchen, ist ein Atemgeräusch, das in den oberen Atemwegen, zwischen Nase und Kehlkopf, während des Schlafens entsteht. Andreas Temmel, Hals-Nasen-Ohren-Arzt in Wien, erklärt: "In diesen oberen Atemwegen befinden sich harte Teile aus Knochen und Knorpel und weiche Teile wie das Gaumensegel. Die harten Teile können den Luftweg schmäler machen, man kann weniger Luft einatmen. Dieser geringere Luftstrom führt dann dazu, dass die weichen Teile vibrieren."

Neben den oberen Atemwegen kann aber auch die Lunge für das Schnarchen verantwortlich sein: "Wie viel Luft man einsaugt, wird über die Lunge bestimmt. Auch wenn man eine chronische Lungenkrankheit hat, saugt man weniger Luft ein, auch das kann zu Schnarchgeräuschen führen", erklärt der HNO-Arzt. Genauso kann nach einem üppigen Abendessen der Magen auf das Zwerchfell drücken und dafür sorgen, dass weniger Luft eingeatmet wird – einen ähnlichen, permanenten Effekt hat auch Übergewicht.

Am nächtliche Sägen können aber auch Zunge und Gaumensegel schuld sein. Temmel weiß: "Zunge und Gaumensegel sind Muskeln, die beim Schlafen entspannen. Je stärker sie erschlaffen, desto eher erzeugen sie Geräusche." Das ist auch der Grund, warum häufig nach einer Partynacht geschnarcht wird. Denn Alkohol, Rauchen, aber auch Schlafmittel können diesen Entspannungseffekt noch verstärken.

Gefährliche Atemaussetzer

Schnarchen ist dabei nicht gleich Schnarchen. Temmel erklärt: "Während das gelegentliche Schnarchen rein medizinisch nicht so schlimm ist, kann die obstruktive Schlafapnoe verantwortlich sein für eine Reihe medizinischer Probleme." Bei der Schlafapnoe kollabieren Gaumensegel oder Zungengrund, es kann weniger Sauerstoff eingeatmet werden, und die Sauerstoffstättigung sinkt. Sogenannte Chemorezeptoren in den Blutgefäßen registrieren den geringeren Sauerstoffgehalt, es wird Adrenalin ausgeschüttet. "Passiert das öfter in der Nacht, dann steigt der Adrenalinspiegel im Körper an und damit auch der Blutdruck," erklärt Temmel.

Damit geht ein weiteres Problem einher: Ständiger Sauerstoffmangel im Gewebe lässt es schneller altern. Laut dem Experten eine gefährliche Kombination: "Alte Blutgefäße, die eher brüchig sind, und ein hoher Blutdruck können die Gefahr für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt deutlich ansteigen lassen."

Von einer Schlafapnoe spricht man, wenn pro Stunde mehr als fünf Aussetzer stattfinden. Diese Aussetzer können zwischen zehn Sekunden bis zu einer Minute andauern. "Um herauszufinden, ob ein Patient oder eine Patientin unter Schlafapnoe leidet, muss ein sogenanntes Schlafscreening stattfinden", sagt Temmel. Ein kleines Gerät, das zu Hause verwendet wird, misst in der Nacht mithilfe einer Nasenbrille die Atmung. Liegt eine Schlafapnoe vor, folgt meistens eine Untersuchung im Schlaflabor. "Je nachdem was die Schlafapnoe auslöst, wird dann eine entsprechende Behandlung empfohlen. Manchmal hilft eine Operation der Nasenscheidewand oder auch eine Zahnschiene, wenn der Kiefer zu weit hinten ist."

Bei schwerer Schlafapnoe hingegen wird eine sogenannte CPAP Maske eingesetzt. CPAP steht dabei für Continuous Positive Airway Pressure. Diese Maske ähnelt einer Sauerstoffmaske und bedeckt beim Schlafen Mund und Nase, während eine kleine Turbine permanent für ausreichende Luftzufuhr sorgt.

Fragwürdige Produkte aus dem Internet

Wie viele Menschen tatsächlich schnarchen, kann nur vermutet werden, aktuelle Zahlen gibt es keine. In älteren Studien ist von 60 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen die Rede. Diese Zahlen sind jedoch durch Umfragen entstanden und können sehr ungenau sein – viele wissen vielleicht gar nicht, dass sie schnarchen. Dass überwiegend Männer schnarchen, kann aber auch Temmel bestätigen: "Es gibt zwar keine aktuelle und flächendeckende Statistik dazu, aber aus der Praxis kann ich sagen, dass mehr Männer darunter leiden. Es könnte daran liegen, dass Frauen häufig einen gesünderen Lebensstil haben als Männer, weniger rauchen und Alkohol trinken."

Viele wollen das Schnarchen selbst in den Griff bekommen und greifen zu Produkten, die im Internet angeboten werden. Es gibt etwa Tapes, die den Mund komplett zukleben, die so Schnarchgeräusche verhindern sollen. Temmel warnt: "So etwas ist einfach nur blöd. Man schnarcht, weil man zu wenig Luft einatmet, etwa weil die Atemwege in der Nase nicht ganz frei sind. Wenn ich mir dann den Mund zuklebe, bekomme ich noch weniger Luft. Davon kann ich in nur abraten." Und er erzählt weiter: "Ich kenne auch Halsbänder, die durch Elektrostimulation die Spannung in den Muskeln beim Schlafen erhöhen und somit die Vibration des Gaumensegels unterdrücken sollten. Auch davon rate ich dringend ab."

Etwas geläufiger sind Schlafwesten, die durch einen eingenähten Schaumstoffkeil im Rücken verhindern sollen, dass man in Rückenlage schläft – in der es am häufigsten zum Schnarchen kommt. "So eine Weste kann schon helfen, aber sie kann auch zu starken Rückenschmerzen führen", erzählt der HNO-Arzt. Für alle die sich nicht sicher sind, ob sie nur schnarchen oder vielleicht sogar unter einer Schlafapnoe leiden, können Schnarch-Apps im ersten Schritt helfen: "Einige davon sind gar nicht so schlecht", berichtet Temmel. "Diese Apps können zwischen regelmäßigem Schnarchen, das vor allem den Partner oder die Partnerin stört, und echten Atemaussetzern unterscheiden. Den Gang zum Arzt oder der Ärztin ersetzen sie aber nicht." (Jasmin Altrock, 6.12.2022)