Anwesend und abwesend zugleich: Mutter Alice, entrückt in einem Gaze-Kubus verkörpert von Tänzerin Andressa Miyazato.

Foto: Petra Moser

Linz – Drei erwachsene Töchter befassen sich mit dem verdrängten lesbischen Leben ihrer eigenen Mutter: In dem im Rahmen des Thomas-Bernhard-Stipendiums am Landestheater Linz von Selma Matter und Marie Lucienne Verse entstandenen Stück Alice verschwindet wiegen die unausgesprochenen Dinge schwerer als das tatsächlich Gesagte.

In einem bildnerischen Setting aus Stoffbahnen (Bühne, Kostüme: Thomas Garvie) rekapitulieren die Töchter (Gunda Schanderer, Lorena Emmi Mayer und Nataya Sam) in der Regie Valerie Voigts das Leben (mit) der eigenen Mutter, die aus einer Betreuungseinrichtung verschwunden ist. Mittig in der Studiobühne an der Promenade steht ein transparenter Kubus, in dem Andressa Miyazato entrückt als Alice stumm performt und dabei sowohl das unterdrückte wie das geglückte Leben aus sich heraustanzt.

Mama-Beobachterinnen

Das schrammt auch an kunstgewerblichen Momenten vorbei, pumpende Techno-Beats oder sich aufbäumende Sägetöne der Musikerin Veronika König aka Farce schlagen da aber gleich neue Schneisen. Am Ende erzählt Alice verschwindet mehr über die akribischen Mama-Beobachterinnen als über die Seniorin selbst. Ein Blickwinkel, der dazu anregt, eindimensionale Mutter-Bilder zu hinterfragen, die sich in Fürsorge und Häuslichkeit erschöpfen. (Margarete Affenzeller, 6.12.2022)