In Salzburg wurde die Genehmigung für 14 Fiakerstellplätze in der Innenstadt erneuert. Es gibt kein Hitzefrei. Tierschützer üben Kritik.

Foto: APA/Barbara Gindl

Die Pferde drohen zu scheuen und ziehen heftig am Wagen, die Zügel sind eng angezogen, mühsam schiebt sich das Gespann eingeklemmt zwischen Autos und Lastwagen über die B1 und dann die B150 rund um den Salzburger Kapuzinerberg Richtung Altstadt. Tag für Tag ist eine der meistfrequentierten innerstädtischen Verkehrsverbindungen in Salzburg der Weg der Fiaker zu ihrem Standplatz auf dem Residenzplatz. Und abends – mitten in der Rushhour – geht es wieder retour zu den im Nordosten der Stadt gelegenen Stallungen.

Bilder der in die Blechlawine eingeklemmten Rösser bekommen die Touristen und Touristinnen, die eine romantische Kutschenfahrt durch die Salzburger Altstadt machen, nicht zu sehen. Auch Unfälle wie vergangenes Wochenende in Wien mit einer verletzten Passantin und gleich vier verletzten Pferden sowie demolierten Autos und Kutschen ändern nichts am romantisch verklärten Bild der Fiakerfahrt durch die Stadt.

Straßenumfrage in Wien, Mai 2022. Tierschutzminister Johannes Rauch dachte im Mai 2022 laut über ein Fiakerverbot in Wien nach. Wie reagieren die Betroffenen, deren Konkurrenz sowie Touristen und Passanten darauf? Wir haben in der Wiener Innenstadt nachgefragt.
DER STANDARD

Teures Vergnügen

Eher schon schreckt der Preis: Das Vergnügen schlägt sich in Salzburg im touristischen Portemonnaie mit 210 Euro für vier Personen und eine schwache Stunde nieder. In Wien wird die einstündige Rundfahrt schon ab 120 Euro angeboten.

Begleitet wird die Fiaker-Lustbarkeit seit Jahren von Protesten der Tierschützer und Tierschützerinnen. Vor allem der Verein gegen Tierfabriken (VGT) kampagnisiert regelmäßig und publikumswirksam gegen das Fiakergewerbe. In Salzburg wurden Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) vor wenigen Tagen 24.000 Unterschriften "für ein Ende der Fiaker" vorgelegt. Auch die grüne Bürgerliste fordert seit langem ein Ende des noch aus der Zeit der Erzbischöfe stammenden Relikts.

Chillipaste ins Maul?

Die Aktivistinnen und Aktivisten haben ein langes Sündenregister der Salzburger Fiaker zusammengestellt und dokumentiert. Darin enthalten sind etwa unzählige Verstöße gegen die Ruhezeiten für die Pferde: "Obwohl die Fiakerunternehmen in Salzburg ihren Pferden laut Vergabekriterien und Zusatzbetriebs- und Disziplinarordnung nach einem Arbeitstag in der Stadt mindestens einen Ruhetag gewähren müssten, konnte der VGT dokumentieren, dass Pferde aller Unternehmen zwei oder mehr Tage hintereinander in der Stadt eingesetzt werden", heißt es in einem VGT-Papier.

Für Aufsehen sorgte ein Fall in Salzburg, bei dem ein Kutscher den Pferden Chilipaste in und um das Maul geschmiert haben soll. Die Paste soll verhindern, dass die Pferde während der Stehzeiten am Geschirr kauen.

Amtstierarzt bemerkte keine Verstöße

Erreicht hat der VGT mit Unterschriften, Protesten und Anzeigen nichts. Ende November hat der Bauausschuss des Salzburger Gemeinderats die Genehmigung für 14 Fiakerstellplätze mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ um weitere fünf Jahre verlängert.

Dieses Bild soll laut Angaben des Vereines gegen Tierfabriken VGT zeigen, wie in Salzburg einem Pferd Chillipaste ins Maul geschmiert wird.
Foto: VGT.at

Die Anzeigen des VGT wurden barsch zurückgewiesen. Im Amtsbericht der Stadt ist vermerkt: "Bei allen amtstierärztlichen Überprüfungen konnten keine Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, im Besonderen gegen Vorgaben des österreichisches Tierschutzgesetzes, festgestellt werden."

Keine "Hitzeferien" in Salzburg

Aus Sicht der Tierschützer bringt die neue Vereinbarung gar eine Verschlechterung: Entgegen einem gültigen, aber von den Fiakern nie umgesetzten Gemeinderatsbeschluss gibt es für die Tiere kein "hitzefrei" mehr. Man sei der Ansicht, dass die 35-Grad-Regelung, wie sie etwa im Wiener Fiaker- und Pferdemietwagengesetz festgeschrieben ist, nicht rechtskonform sei. Denn eine derartige vertragsrechtliche Vereinbarung überschreite die Kompetenzen des Landes. Es gelte das Tierschutzgesetz des Bundes, an dessen Bestimmungen sich die Fiaker zu halten hätten, sagte ein Sprecher von Bürgermeister Preuner der APA.

Hitzefrei in Wien

In Wien sieht man das offenbar nicht so. Da gilt das Hitzefahrverbot ab 35 Grad für die Pferdekutschen. Aber auch damit geben sich die Tierschützerinnen und Tierschützer nicht zufrieden. Sie fordern eine Herabsetzung auf 30 Grad. Vor dem Sommer gab es diesbezüglich einen runden Tisch. "In Gesprächen zwischen dem Bund und dem Land Wien zum Thema Fiaker wurde gemeinsam festgestellt, dass eine weitere Temperaturregelung aufgrund der Rechtslage leider nicht möglich ist", heißt es dazu aus dem Büro von Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) auf STANDARD-Anfrage.

Auch in der Wiener City gehören Fiaker zum Stadtbild.
Foto: Matthias Cremer

Allerdings seien die Gespräche nicht ohne Output gewesen: Man einigte sich auf eine gemeinsame Studie, um "die gesundheitlichen Auswirkungen der heißen Jahreszeit auf Pferde und im Speziellen auch auf Fiakerpferde umfassend zu untersuchen". Erste Abstimmungsgespräche mit der Veterinärmedizinischen Universität hätten bereits stattgefunden. Weitere folgen zeitnah.

Insgesamt, das betont man im Wiener Rathaus, habe die Stadt in den letzten Jahren viele Maßnahmen gesetzt, "die Verbesserungen für die Pferde vor allem auch in der heißen Jahreszeit gebracht" hätten. So seien die Standplätze so gestaltet worden, dass Schattenplätze mit Wasseranschlüssen vorhanden seien. Außerdem wurden wie in Salzburg die Arbeitszeiten verkürzt.

Emotionale Debatte

Dass die Diskussion um die Fiakerzunft sehr emotional verläuft, schildert der Salzburger Fiakerunternehmer Rupert Adensamer: "Der VGT hat die letzten Jahre jeden Kutscher beschattet und schikaniert", schreibt Adensamer in einem Mail an den STANDARD. Ein Prozess, in dem es um die Behauptung gehe, dass Pferde in der Hitze kollabierten, habe der VGT in der ersten Instanz verloren. Die zweite Instanz steht kurz vor dem Abschluss. Adensamer weiter: "Auch der nächste Prozess ist in Laufen, wo der VGT behauptet, dass Menschen bei Fiakerunfällen tödlich verunglückt sind."

Preiskartell beendet

Adensamer sagt ferner, dass nicht alle Routen der Fiaker über stark frequentierte Straßen führten. Seine Stallung beispielsweise sei im Süden der Stadt Salzburg gelegen und in 20 Minuten "ohne Stau, im Grünen" erreichbar. Auch die Preisgestaltung habe sich in Salzburg geändert. "Im Grunde sind die Preise frei zu gestalten, da das Preiskartell seit Anfang des Jahres beendet wurde," schreibt Adensamer. Bei ihm koste die Stunde 104 Euro.

Wie die neue aktuelle Regelung in Salzburg zustande gekommen ist, erklärt der Fiakerunternehmer Adensamer so: Erst seit fünf Jahren werde das Gewerbe alle fünf Jahre zivilrechtlich ausgeschrieben. Der erste Vertrag von 2018 habe von der Stadt Salzburg schwerwiegende Fehler gehabt: Erstens seien Tierschutzgesetze alleine Sache von Land und Bund. Die Fahreinschränkungen – wie ein Tag Pause nach einem ganztägigen Einsatz – "war nicht nur illegal sondern gar schädlich (Kreuzverschlag). Die vorgeschriebene Fahrroute war damals schon nicht fahrbar." Und die 30-Grad-Regelung, die das Ende der Fiakerei in Salzburg bedeutet hätte, sei auch nicht rechtens gewesen. (Thomas Neuhold, Oona Kroisleitner, 6.12.2022)