Trainer Manfred Schmid stand für den Aufwärtstrend der Austria. Trotzdem ist er nicht mehr gefragt.

Foto: APA/EXPA/FLORIAN SCHRÖTER

Sportdirektor Manuel Ortlechner: "Es geht nicht nur um den Tabellenplatz, es geht immer auch um den Kurs".

Foto: APA/HANS PUNZ

Die Austria wird ohne Trainer Manfred Schmid ins Frühjahr starten. Der Vertrag des 51-jährigen Wieners wäre noch bis Saisonende gelaufen, wird aber vorzeitig aufgelöst. "Leider haben wir Auffassungsunterschiede in wesentlichen sportlichen Fragen festgestellt. Vor diesem Hintergrund sind Gespräche um eine gemeinsame sportliche Zukunft sowie über eine Vertragsverlängerung abschließend gescheitert", hieß es am Montag seitens des Vereins.

Die Empörung der Fans ist dem Klub gewiss. Die Anhänger hatten in den vergangenen Wochen vehement einen Verbleib des Trainers gefordert, Schmid genießt in Favoriten Popularitätswerte wie sonst nur Herbert Prohaska oder der Eissalon Tichy.

Frage der Sichtweise

Die Trennung kommt nicht überraschend. Im Gespräch mit dem STANDARD zog Sportdirektor Manuel Ortlechner am Wochenende die mehr als nüchterne Bilanz: "Wir sind im Cup an einem Regionalligisten gescheitert, waren Gruppenletzter in der Conference League und liegen in der Meisterschaft aktuell hinter Tirol. Warum sollten wir zu 100 Prozent zufrieden sein?"

Die nackten Zahlen waren zuletzt tatsächlich trostlos. In den letzten zwölf Spielen gelangen zwei Siege. In den europäischen Auswärtspartien wurden der Mannschaft die Grenzen aufgezeigt. Vier Spiele, vier Niederlagen, Torverhältnis 2:17. Die Fans haben die Mannschaft gefeiert, in der Chefetage haben sich Zweifel am Trainer gemehrt. Nicht nur aufgrund der Ergebnisse. Auch zwischenmenschlich, so hört man, ist die Situation mehr als kompliziert gewesen.

Schmid, der die Austria in der Vorsaison überraschend auf Platz drei führte, hatte es im Herbst nicht einfach. In kürzester Zeit fielen drei High Potentials langfristig aus. Der 19-jährige Florian Wustinger erlitt bei seinem Startelfdebüt einen Kreuzbandriss. Der 18-jährige Ziad El Sheiwi zog sich im ersten Match nach einem Kreuzbandriss einen erneuten Kreuzbandriss zu. Der 19-jährige Muharem Huskovic verunglückte mit dem Auto – Kreuzbandriss. Darüber hinaus forderten die englischen Wochen ihren Tribut, und nicht alle Verstärkungen erwiesen sich auch als solche. Die Mannschaft pfiff aus dem letzten Loch, betrieb zu Jahresende hauptsächlich Schadensbegrenzung.

Frage des Kurses

"Es geht nicht nur um den Tabellenplatz, es geht immer auch um den Kurs", sagt Ortlechner, "wir müssen ticken wie ein Schweizer Uhrwerk, um Spieler zu entwickeln. Dafür müssen wir eine gewisse Art Fußball spielen. Und das darf kein Zweckfußball sein. Wir haben nichts mehr zu verkaufen. Die Anteile sind veräußert, der Brustsponsor vergeben. Wir sind gezwungen, international zu spielen und Transfereinnahmen zu lukrieren." Anders formuliert: Die Austria muss Kicker in die Auslage stellen. Und die Ideen von Schmid schienen der Vereinsführung und vor allem Investor Jürgen Werner dazu nicht geeignet.

In den vergangenen Jahren schaute der Klub am Transfermarkt durch die Finger. Mit ein Grund, warum er finanziell in der Bredouille steckt. Die Austria schreibt dunkelrote Zahlen. Im Geschäftsjahr 2021/22 belief sich das Minus auf sieben Millionen Euro. Das Fremdkapital konnte durch den Einstieg der Investorengruppe um Werner um 9,66 Prozent verringert werden, beträgt aber 71,9 Millionen Euro. Man muss nicht Betriebswirtschaftslehre studieren, um angesichts dieser Zahlen nervös zu werden. Und es kommt noch dicker. Auch 2022/23 ist kein Turnaround in Sicht. Trotz europäischer Gruppenphase, trotz eines fünfstelligen Zuschauerschnitts.

Wie konnte es zu diesem Schlamassel kommen? Preiserhöhungen im Energiesektor und Zinserhöhungen für Kredite treffen andere Vereine auch. Einen wertberichtigten Deal mit der georgischen Insignia und einen aufgelösten Vertrag mit der russischen Gazprom haben die Violetten exklusiv. Die Insignia war ein in der Verzweiflung entstandenes Luftschloss, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine war auch für die Austria kaum absehbar. Das Einstellen der Geschäftsbeziehung kostet den Verein fünf Millionen Euro im Jahr.

Frage der Lizenz

Vorstand Gerhard Krisch schleppt den Rucksack seines Vorgängers Markus Kraetschmer durch die Generali-Arena. Die Kostenstruktur wurde offensichtlich jenseits von Gut und Böse übergeben. Nun ist man Jahr für Jahr damit beschäftigt, eine positive Fortbestehensprognose zu ergattern. Ein beauftragter Wirtschaftsprüfer ließ sich mit einem Finanzplan bis in die Saison 2024/25 überzeugen. Ob die Bundesliga diese Einschätzung im Zuge der Lizenzvergabe für die Saison 2023/2024 teilt, ist eine andere Frage. Im kommenden April ist wieder das große Zittern angesagt.

Neben der Trainersuche ist in Favoriten auch eine andere Baustelle zu schließen. Bei der Generalversammlung am vergangenen Dienstag erhielt der vorgeschlagene Verwaltungsrat von den ordentlichen Mitgliedern nicht die notwendige Unterstützung. Die Liste um den Vorsitzenden Robert Zadrazil und seinen Stellvertreter Andreas Rudas wurde mit 34:80 Stimmen brutal abgeschmettert.

Tage zuvor erhielten die Mitglieder von einem anonymen Absender eine dem STANDARD vorliegende E-Mail mit einem eindringlichen Appell. Sinngemäß: Wer sich kontinuierliche Arbeit wünsche, solle seine Stimme nicht leichtfertig vergeben. Vor allem Rudas wird heftig kritisiert. Die Ablehnung der Mitglieder, so die Hoffnung, sollte den Job von Schmid retten. Man wusste, dass der Verwaltungsrat dem Trainer abgeneigt ist.

Frage der Fans

Zadrazil, Vorstandsvorsitzender der Unicredit Bank Austria AG, reagierte gereizt auf die Vorwürfe. "Grundlage für jeden Vorwurf sollte ein Mindestmaß an Kenntnis der Situation sein. (…) Rudas ist für eine siebenstellige Summe an Sponsorbeträgen in der jüngeren Vergangenheit verantwortlich", schreibt er in einer E-Mail an die Mitglieder. Nun muss bis Ende Jänner ein neuer Verwaltungsrat vorgeschlagen werden. Zadrazil bleibt als Vorstand des größten Gläubigers unantastbar.

Schmid richtet indes Abschiedsworte an die Fans: "Die Führung will eine bestimmte Art Fußball sehen. Dafür bin ich nicht der Richtige. Ich möchte mich bei den Spielern, den Fans, den Mitarbeitern und Verantwortlichen bedanken. Wir haben Erfolge gefeiert, die ich kaum für möglich gehalten habe." Der violette Jahrhundertkicker Prohaska griff im ORF zu klaren Worten: "Es ist absurd. Dem Trainer zu sagen, wie er spielen soll, ist ein No-Go."

Mit dem Zorn der Fans müssen die Verantwortlichen umgehen. Am Montagabend versammelten sich einige vor der Geschäftsstelle. Nun geht es darum, die Anhänger nicht in Scharen zu verlieren. Es dürfte einfacher werden, einen neuen Coach zu finden. Am 3. Jänner startet das Training. (Philip Bauer, 5.12.2022)