Unterstützerinnen und Unterstützer von Cyril Ramaphosa am Montag vor der Sitzung der ANC-Parteiführung in Johannesburg.

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Ein Rücktritt des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa, der diesen vor wenigen Tagen noch angeboten hatte, ist vom Tisch. Nach einer Sitzung des höchsten Führungsgremiums des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) stellte sich die Partei am Montag hinter den Präsidenten und wies ihre Fraktion an, bei der für Dienstag geplanten Abstimmung im Parlament gegen die Einleitung eines Verfahrens zur Amtsenthebung Ramaphosas zu stimmen. Mit 230 von 400 Sitzen verfügt die ehemalige Befreiungsbewegung dort über eine deutliche Mehrheit. Dass sich eine größere Zahl von ANC-Abgeordneten gegen den Präsidenten ausspricht, gilt trotz der tiefen Zerstrittenheit der Partei Nelson Mandelas als unwahrscheinlich. Die Abstimmung soll offen und nicht geheim stattfinden, entschied die dem ANC zugehörige Parlamentssprecherin.

Ramaphosas Rücktrittsabsicht war von der Veröffentlichung des Berichts einer dreiköpfigen Kommission ausgelöst worden: Sie hatte dem Präsidenten den Bruch seines Amtseids sowie Verstöße gegen die Verfassung vorgeworfen. Die Kommission war vom Parlament mit der Klärung der Frage beauftragt worden, ob Vorfälle in Ramaphosas privater Wildtierfarm Phala Phala vor mehr als zwei Jahren ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigten. Den Stein hatte Arthur Fraser, Chef des Geheimdienstes unter Ramaphosas Vorgänger und parteiinternem Widersacher Jacob Zuma, im Juni dieses Jahres ins Rollen gebracht. Er zeigte den Präsidenten an, weil dieser den Diebstahl von vier Millionen US-Dollar in seinem Farmhaus vertuscht habe. Statt den Vorfall anzuzeigen, habe er den Chef seines Personenschutzes um die Aufklärung des Falls gebeten und die Verdächtigten nach ihrer Ergreifung mit Geld zum Schweigen gebracht.

Zweifel an Kommissionsbericht

Ramaphosa räumte den Vorfall ein, bestritt allerdings die von Fraser genannte Summe des gestohlenen Geldes (nur eine halbe statt vier Millionen US-Dollar) sowie den Versuch der Vertuschung des Diebstahls. Bei den in einem Sofa in seinem Farmhaus versteckten Banknoten habe es sich nicht um illegales Geld, sondern um Einkünfte aus dem Verkauf von 20 Büffeln gehandelt, erklärte der Präsident. Die Richterkommission bezeichnete Ramaphosas Darstellung allerdings als unglaubwürdig und warf dem Staatschef vor, den Diebstahl nicht angezeigt, seinen Amtseid mit einem Nebenerwerb gebrochen sowie das Geld in ausländischer Währung nicht der Zentralbank gemeldet zu haben.

Inzwischen wurden allerdings Zweifel an dem Kommissionsbericht laut. Seine folgenschwere Empfehlung basiere auf unzureichenden Informationen, hieß es. In der Presse wurde einem der Kommissionsmitglieder auch eine kompromittierende Nähe zu Ramaphosas Widersacher Jacob Zuma nachgesagt. Ramaphosa kündigte am Wochenende an, den Bericht vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. Wegen der umstrittenen Empfehlung der Kommission werde der Präsident jedenfalls nicht zurücktreten, sagte sein Sprecher.

Parteitag Mitte Dezember

Dass der zerstrittene ANC jetzt die Reihen hinter seinem Präsidenten schließt, wird von politischen Beobachterinnen und Beobachtern mit dem in zehn Tagen beginnenden ANC-Parteitag in Zusammenhang gebracht. Dort wird die ehemalige Befreiungsbewegung über eine neue Führung entscheiden: Dass darüber schon zuvor auch andere Parteien mitentscheiden könnten, solle vermieden werden, hieß es. Die oppositionelle Demokratische Allianz (DA) und die Economic Freedom Fighters (EFF) fordern neben dem Rücktritt oder der Amtsenthebung Ramaphosas auch Neuwahlen, von denen sie sich den erstmaligen Absturz des ANC unter die 50-Prozent-Marge versprechen.

Mehrere dem Zuma-Flügel zugeordnete Parteimitglieder hatten vor der ANC-Sitzung den Rücktritt Ramaphosas gefordert – unter anderem auch zwei Ministerinnen. Der Präsident, der sich für die Amtsniederlegung aller wegen Korruptionsverfahren angeklagter ANC-Funktionäre ausspricht, müsse jetzt auch selbst die Folgen seiner Forderung tragen, hieß es. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 5.12.2022)