Heast, Oida! Jetzt ist es schon wieder passiert. Die Bundeshauptstadt hat einmal mehr in einer zweifelhaften Disziplin gewonnen: Wien ist vor kurzem zur unfreundlichsten Stadt der Welt gekürt worden. Das ist das Resultat des Expat-City-Rankings der Organisation Internations.

Dieses basiert auf einer Umfrage unter 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in 50 Städten. 43 Prozent der Befragten aus dem Ausland, die vorübergehend in Wien leben, bewerteten dabei die generelle Freundlichkeit der Bundeshauptstädter als negativ. Und 46 Prozent gaben an, dass die Wienerinnen und Wiener unfreundlich zu Expats seien. Weltweit betrachtet lagen diese Werte bei nur 18 beziehungsweise 17 Prozent.

Diese unschmeichelhafte Wahrnehmung ist beständig. 2021 war Wien in Sachen Freundlichkeit ebenfalls letztplatziert. In den vier Jahren davor – das Ranking wird seit 2017 erstellt – war es fast immer auf den hintersten drei Plätzen zu finden.

"Herzlich und unfreundlich gleichzeitig" war eine der Beschreibungen des typischen Wieners oder der typischen Wienerin, die die Studie zu Tage förderte.
Foto: APA/Eva Manhart

Wohlgemerkt: Besagtes Ranking gibt das Empfinden von Zugereisten wieder. Genauso wie die vielzitierte "Quality of Living"-Studie von Mercer, in der Wien regelmäßig zur lebenswertesten Stadt gekürt wird – wobei hier zusätzlich Daten von Behörden und Institutionen einfließen. Der Blick durch die Brille von Expats ist ein wesentlicher Kritikpunkt an derartigen Erhebungen.

"Blumig unfreundlich"

Dass es auch erhellend sein kann, die Wienerinnen und Wiener selbst zu fragen, zeigt sich in puncto Grant. Mit dem ist es nämlich doch ein wenig komplizierter. Darauf deutet jedenfalls eine noch unveröffentlichte Forschungsarbeit hin, die dem STANDARD vorliegt. Durchgeführt wurde sie von der Wiener Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wesen Wiens besser zu begreifen, und dafür im Frühsommer rund 80 Wienerinnen und Wiener online befragt. Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung seien nicht verallgemeinerbar, Trends ließen sich aber trotzdem daraus ablesen, erklärt Ehmayer-Rosinak.

Die Grundaussage ihres Forschungsprojekts: Der typische Wiener oder die typische Wienerin zeichnet sich auch in den Augen der Einheimischen überwiegend durch schlechte Eigenschaften wie Unfreundlichkeit aus. Allerdings werden diese Attribute "häufig nicht durch und durch negativ wahrgenommen", heißt es in der Studie. Vielmehr stünden sie in einem "ambivalenten Verhältnis zu positiven Eigenschaften". Konkret zeigt sich das an Beschreibungen wie "herzlich und unfreundlich gleichzeitig", "charmant und grantig" oder "blumig unfreundlich". Ehmayer-Rosinak selbst formuliert es so: "Man sagt ein Schimpfwort und meint es nett."

Bewusstsein für Ambivalenz

Ambivalenz ist aus Sicht der Stadtpsychologin grundsätzlich etwas Intelligentes. Sie würde Großstädte an sich auszeichnen – und Wien sei sich ihrer offenbar besonders bewusst: "Das zeigt sich dann im typisch Wienerischen. Die Wienerinnen und Wiener sagen ja selbst: Es ist das eine und das andere."

Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer-Rosinak hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Wesen von Wien zu erfassen.
Foto: Stadtpsychologie

Für Ehmayer-Rosinak war es durchaus überraschend, dass der typische Wiener und die typische Wienerin für die Befragten überhaupt noch existieren – und nicht bereits als ausgestorben gelten: "Sehr viele haben gesagt, es gibt diese Typen noch." Eine kleine Veränderung fiel dabei allerdings auf: Die negativen Merkmale wurden gegenüber einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2003 in der aktuellen Erhebung in leicht abgemilderter Form beschrieben. "Heute schätzen sich die Wienerinnen und Wiener ein wenig offener ein und schreiben sich eher positive Eigenschaften zu", sagt Ehmayer-Rosinak.

Die Quelle des Grants

Unfreundlichkeit und Grant scheinen jedenfalls tief verwurzelt zu sein: "Aber man pflegt sie eben mit ironischer Distanz." Wer das nicht gewohnt sei, weil er etwa nach Wien zugezogen sei, der lasse sich von einem unfreundlichen Erstkontakt womöglich abschrecken, vermutet die Psychologin. Bei Expats komme hinzu, dass sie unter Umständen zu kurz in der Stadt seien, um sich "in das Wesen Wiens hineinzuarbeiten".

Eine Erklärung, woher die übellaunige Seite der Wienerinnen und Wiener rühre, hat Ehmayer-Rosinak auch. Der Überlieferung nach hat der Grant seine Wurzeln in der Habsburgerdynastie: Das schlechte Wetter in Wien soll die spanische Linie bei Besuchen regelmäßig verdrießlich gestimmt haben – was sich schließlich als kollektive Lebenseinstellung der ganzen Stadt verfestigte. Dies brachte, angesprochen auf das Expat-City-Ranking, am Wochenende übrigens auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur Verteidigung vor. Der Hauptgrund für das Ergebnis sei aber ein anderer, erklärte er in der ORF-Pressestunde: "Die verstengan unsan Schmäh ned." (Stefanie Rachbauer, 6.12.2022)