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Ein Alltagsrätsel weniger: Warum Ketchup am Ende meist spritzend die Plastikflasche verlässt, haben nun britische Physiker nachgerechnet.

Foto: Getty Images/Valentyn Volkov

Geht Ketchup zur Neige, hat es die unangenehme Angewohnheit, in der Gegend herumzuspritzen, wenn man es aus der Plastikflasche drücken will. Warum das so ist und wie die aktuellen Ketchupflaschen mit Gummiventil das Problem noch verschlimmern, haben nun zwei britische Physiker der Universität Oxford wissenschaftlich erklärt. Die Ergebnisse der Studie mit dem etwas sperrigen englischen Titel "Dynamics of Compressible Displacement in a Capillar Tube" sind freilich nicht nur abstrakter Natur, sie liefern auch potenzielle Auswege aus diesem Dilemma.

Bei einer Konferenz der American Physical Society in Indianapolis brachte Callum Cuttle von der University of Oxford das Problem mit der fast leeren Ketchupflasche auf den Punkt: "Es ist ärgerlich, potenziell peinlich und kann einem zudem auch noch die Kleidung ruinieren."

Langsam und sanft ist gut

Um Abhilfe zu schaffen und dem Rätsel der spritzenden Ketchupflasche mathematisch beizukommen, hat der Experte für Strömungsmechanik gemeinsam mit seinem Kollegen Chris MacMinn, ebenfalls von der University of Oxford, eine Reihe von Experimenten durchgeführt. Mithilfe mathematischer Modelle kam das Team schließlich zu folgendem auf dem Pre-Print-Server arXiv veröffentlichten Resultat: Drückt man das Ketchup langsam und sanft aus einer Plastikflasche, verringert sich grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit für rote Spritzer auf der Kleidung erheblich.

Das klingt zwar reichlich banal und naheliegend, ist aber letztlich das Ergebnis komplexer fluiddynamischer Vorgänge, die sich sehr vereinfacht auf das Wechselspiel von Kraft und Widerstand reduzieren lassen: Drückt man eine Ketchupflasche aus Kunststoff zusammen, wird auch die Luft komprimiert wie eine Feder. Während die Luft das Ketchup in Richtung Öffnung schiebt, wird das Vorwärtsstreben der zähen Flüssigkeit an den Flaschenwänden abgebremst.

Ausbalancierte Kräfteverhältnisse

Für ein spritzerloses Ergebnis muss man diese beiden Kräfte gut ausbalancieren, was bei reichlich vorhandenem Ketchup in der Regel gut gelingt. Geht das Ketchup jedoch zur Neige, wird das subtile Gleichgewicht der Kräfte verschoben: Der Widerstand an der Flascheninnenseite verringert sich und die zusammengedrückte Luft dehnt sich sehr plötzlich und kraftvoll aus – und befördert dabei das letzte bisschen Ketchup mit entsprechender Gewalt ins Freie.

"Man muss die Luft komprimieren, um die Antriebskraft zum Bewegen der Flüssigkeit zu erzeugen", erklärte MacMinn. "Wenn die Flüssigkeit herausfließt, nimmt mit der schwindenden Ketchupmenge auch der Widerstand durch die Viskosität ab. Zugleich verschafft dies der Luft mehr Raum, um sich auszudehnen, was wiederum die Antriebskraft mit der Zeit verringert."

Kleinste Unterschiede entscheiden über das Ergebnis

Die Analysen hätten ergeben, dass am Ende nur geringe Variationen bei der Kraftübertragung den Unterschied zwischen Spritzern und keinen Spritzern machen, sagten die Forscher. Hier sei also besonderes Fingerspitzengefühl angeraten.

Um das Problem deutlich zu entschärfen, schlagen Cuttle und MacMinn ein Redesign der Ketchupflaschenspitzen vor. Breitere Öffnungen wären eine gute Möglichkeit, die Gefahr durch Ketchupspritzer zu reduzieren.

Nicht nur gesunder Menschenverstand

Von den aktuell verbreiteten Verschlüssen mit Gummiventilen halten die Physiker wenig. Sie würden das Problem sogar noch verschlimmern. "Diese Ventile zwingen uns dazu, einen höheren Druck zu erzeugen, damit die Sauce überhaupt austreten kann", sagte Cuttle. Das wirke sich entsprechend fatal aus, wenn nur mehr wenig in der Flasche ist.

Am besten sei daher, man holt sich den letzten Ketchuprest, indem man die Kappe abschraubt. "Das alles verrät einem natürlich auch der gesunde Menschenverstand", sagte Cuttle. "Nun aber gibt es einen soliden mathematischen Rahmen, um das zu untermauern." (tberg, 6.12.2022)