Wien – Paragraf 109: Dieser Gesetzesabschnitt war am Dienstag bei einer Demo in Wien auf unzähligen Schildern zu lesen. Er war ein Grund, weshalb sich hunderte Jungforschende trotz des Nieselregens zum Weg in die Wiener Innenstadt überwinden konnten. "Was wir gerne hätten, Verträge ohne Ketten", skandierte ein Demo-Organisator vom Podium des fahrenden Klein-Lkws, während die nachfolgende Menschenmenge seinen Spruch lautstark in die verregneten Gassen des ersten Bezirks schrie.

Gemeint ist die Kettenvertragsregelung, aufgrund derer das Uni-Personal bis zu acht Jahre lang befristet an einer Uni angestellt werden darf. Danach ist Schluss. Anstatt danach unbefristete Anstellungen zu erhalten, werden viele gehen gelassen.

Als der Demo-Zug vor das Bildungsministerium zog, wurde es besonders unruhig. Mit Trillerpfeifen und obszönen Sprüchen gegen Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) machten sie sich vor dem Ministerium bemerkbar. Rund 450 Personen nahmen die am Dienstag startenden Kollektivverhandlungen für Universitätsangehörige zum Anlass, auf die Straße zu gehen.

Der Paragraf 109 wird vom Uni-Personal scharf ins Visier genommen.
Foto: APA/ Helmut Fohringer

Die Sorgen sind groß beim Uni-Personal. Viele Demo-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sind an der Universität befristet angestellt und blicken in eine ungewisse Zukunft. So auch Stefan Ossmann, der mit seiner Tochter Lotte, die acht Monate alt ist, auf das Podium trat. Er lehre schon seit 15 Jahren an der Uni und erhalte seither bloß befristete Verträge für sechs Monate. "Ich habe genug, es reicht." Der Job lasse sich so nicht mehr mit der Familie vereinbaren, fügt Ossmann hinzu.

Die Universitätsangehörigen wünschen sich ein Ende der Kettenverträge.
Foto: APA/ Helmut Fohringer

Unsicherheit bei Personal

Für "einen Großteil des wissenschaftlichen Personals" ist der Verbleib beim Dienstgeber Universität nicht gesichert. Sie fallen unter die Kettenvertragsregel des Universitätsgesetzes von 2002 (UG02). Mit der Reform des Gesetzes im Herbst 2021 ist auch der neu formulierte Paragraf 109 zur Dauer von Arbeitsverträgen in Kraft getreten. Er begrenzt die Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einer Universität nach ihrem Doktoratsstudium auf acht Jahre nach maximal zweimaliger Verlängerung.

Von der Löwelstraße zog die Demo am Bildungsministerium vorbei in Richtung Hauptgebäude der Uni Wien.
Foto: APA/ Helmut Fohringer

Unibudget bereitet Sorgen

Die diesjährige Verhandlungsrunde finde "unter düsteren Vorzeichen" statt, hieß es im Demoaufruf der Gruppe "Unterbau Uni Wien". Gemeint ist damit: Da das Uni-Budget für die Jahre 2021 bis 2024 bereits Ende 2021 – noch vor der starken Teuerung infolge des Ukraine-Kriegs – erstellt wurde, klafft eine Lücke in den Finanzen der Hochschulen. Die Universitätenkonferenz, der Zusammenschluss der 22 öffentlichen Universitäten, hat diese mit 1,2 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren beziffert. 400 Millionen Euro hat das Bildungsministerium bereits für 2023 zugesagt, der Rest muss gespart beziehungsweise von den Unis aus den Rücklagen finanziert werden.

Unzufriedenheit in der Wissenschaft

Die Unzufriedenheit in der Wissenschaft zeigt sich auch in einer im November veröffentlichten Studie der Wiener Arbeiterkammer. Demnach zeigt sich in den Jahren 2010 bis 2021 "ein deutlicher Einbruch" von einem Drittel in der generellen Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz Universität. Vor allem zwei Punkte machen die Wissenschafterinnen demnach unzufrieden: die Beschäftigungsdauer und die Karrieremöglichkeiten. (Max Stepan, 6.12.2022)