Im Gastblog analysiert Lisa-Maria Riedl die verschiedenen Interessen bei Reparaturmöglichkeiten und zeigt, welche rechtlichen Reformen gefragt sind.

Als russische Soldaten vor einiger Zeit Traktoren und Mähdrescher einer ukrainischen John-Deere-Zweigstelle stahlen, um diese zur eigenen Verwendung nach Russland abzutransportieren, hatten sie wenig Erfolg: Auf Hinweis eines ukrainischen Landwirtes machte ihnen der Hersteller John Deere kurzerhand mittels eines vorinstallierten Kill-Switches einen Strich durch die Rechnung und legte die Traktoren via Fernzugriff lahm.

Durchaus nachvollziehbar, dass diese Aktion von John Deere zufriedenstimmt. Dennoch, bei genauerer Betrachtung dessen, was hinter solchen produktintegrierten Features der Hersteller steckt, sollte sich zur punktuellen Freude zumindest eine gewisse Konsternation gesellen – und eine Frage: Dürfen sie das?

Was können Kill-Switches?

Kill-Switches ermöglichen es Herstellern und deren Beauftragten, mittels Fernzugriff auf die von ihnen verkauften Geräte zuzugreifen und sie bei "Bedarf" abzuschalten. Kommt es zu einer solchen Stilllegung des Systems, kann es nur noch von einem betriebseignen Techniker durch Eingabe eines speziellen Entsperrungscodes reaktiviert werden. So praktisch ein Kill-Switch auch im Falle eines Diebstahles ist, so gefährlich ist er in Fällen missbräuchlicher oder unangemessener Nutzung.

Traktoren von Herstellern wie John Deere lassen sich per Fernzugriff lahmlegen. Dies hat Konsequenzen, auch für Reparaturen.
Foto: REUTERS/Mohammad Khursheed

Der ursprüngliche Grund für die Integration von Kill-Switches in John-Deere-Traktoren waren nach Aussagen des Unternehmens sicherheitstechnische Erwägungen. Um Eigentümer und Eigentümerinnen vor unerlaubter Inbetriebnahme der landwirtschaftlichen Geräte, möglichen Diebstählen oder Ähnlichem zu schützen, wären solche Vorrichtungen nötig. Aber stimmt das?

Eine potente Kombination

Naturgemäß werden Kill-Switches in Kombination mit sogenannten VIN-Locks eingebaut. Solche VIN-Locks verhindern aber auch den Startvorgang des Geräts, wenn dessen Software eingebaute Hardwarekomponenten als Repliken oder nichtoriginale Ersatzteile erkennt. Gerechtfertigt wird das VIN-Locking damit, dass dadurch der Einbau von minderwertig wiederaufbereiteten oder nichtunternehmenseigenen Komponenten zur Reparatur verhindert wird. Vorgeblich zum Schutz der Kundinnen und Kunden, aber natürlich auch aus ureigenem finanziellem Interesse.

Denn was ist die Folge: Der Hersteller kann nun ein künstliches Reparatur- und Ersatzteilmonopol herstellen. Da Leistungen von Drittanbietern durch das VIN-Locking wenig sinnvoll sind, verbleibt der Originalersatzteilehersteller als einziger Dienstleister am Markt und kann die Preise für die Reparatur oder etwaige Gebühren nach eigenem Ermessen bestimmen. Wozu das führt, zeigt etwa der Uhrenmarkt. Ein Reparaturmonopol führt aber nicht nur zu hohen Rechnungen der Geräteeigentümer und Geräteeigentümerinnen, die Unterbindung des Aufbaus eines Marktes zieht auch nicht unbeachtliche Risiken mit sich, wie zum Beispiel, dass der Monopolist Lieferengpässe oder nicht genügen Personal hat, um einen unerwarteten Anstieg von Reparaturfällen in vertretbarer Zeit zu bedienen.

Selbstverteidigung gegen erzwungene Originalreparaturen

Infolge dieses indirekten Kontrahierungszwanges kam es 2020 in Massachusetts USA, dazu, dass die dortigen Wählerinnen und Wähler eine Gesetzesinitiative für ein Recht auf Reparatur setzten und über die Einführung eines diesbezüglichen Gesetzes abstimmten. Das Recht auf Reparatur soll dabei jeder Person, die ein Auto besitzt, garantieren, das Fahrzeug in einer Werkstatt eigener Wahl reparieren lassen zu können. Das Unternehmen Big Car reagierte auf die Initiative mit einer heftigen Gegenkampagne, bei der es in einem Videoclip zeigte, dass eine Reparatur durch eigenständige Autowerkstätten dazu führen würde, dass Stalker gebrauchte Autos kaufen würden und die darauf befindlichen Daten ehemaliger Eigentümer oder ehemaliger Eigentümerinnen extrahieren könnten, um diese dann zu verfolgen, überfallen oder noch Schlimmeres zu können. Die Abstimmung fiel zugunsten des Gesetzes aus.

Doch auch in Europa wird der nachhaltige Konsum von Gütern gefördert. Die Europäische Kommission verpflichtete sich am 11. Dezember 2019 zum Europäischen Green Deal, der das Versprechen beinhaltet, die Nachhaltigkeit und das Wohlergehen der Bürger und Bürgerinnen in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik zu stellen. In einer öffentlichen Konsultation hat die Europäische Kommission im Zuge dessen Empfehlungen zu einem Recht auf Reparatur eingeholt, um Feedback von Kundinnen und Kunden sowie Unternehmen zu erhalten und zu erfahren, wie Anreize für eine nachhaltige Herstellung und Nutzung von Produkten geschaffen werden können.

Innsbrucker Vorschlag zum Recht auf Reparatur

Susanne Augenhofer, Unternehmensrechtlerin an der Universität Innsbruck, verfasste dazu eine offizielle Empfehlung, in der sie die Bedeutung des Rechts auf Reparatur als primären Rechtsbehelf betont. Insbesondere überzeugt sie mit ihren Argumenten hinsichtlich des Aspektes der Nachhaltigkeit, denn durch die Einführung der Reparatur als primären Rechtsbehelf könne eine erweiterte Langlebigkeit der Produkte bewirkt werden und dies folglich zu weniger ausgeprägtem Konsum führen. Auch sei die Reparatur, wenn der Ersatz des Produktes weniger oder gleich viel kostet, die optimale Wahl, mit der beschränkte Ressourcen gespart werden können.

Um die Reparatur für Kundinnen und Kunden attraktiver zu gestalten, empfiehlt sie eine Reaktivierung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist nach erfolgreicher Reparatur. Darüber hinaus würde mit einer generellen Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ebenso positiv auf das Verhalten von Unternehmern und Konsumenten eingewirkt werden können. Hinsichtlich der Frage, wer Anlaufstelle für die Reparatur sein soll, erscheint der Hersteller selbst grundsätzlich als zweckmäßig.

Ein direkter Anspruch des Käufers unter Umgehung des Verkäufers wäre nicht nur effizient und ressourcensparend, sondern auch kostengünstig, da der Hersteller das notwendige Wissen und die erforderlichen Ersatzteile gleich mitbringt. Weiters wäre vom Standpunkt des zukünftigen Rechts aus zur Förderung des freien Wettbewerbs eine Verpflichtung des Herstellers zur Bereitstellung und zum Verkauf von Ersatzteilen an Dritte oder Konsumenten und Konsumentinnen innerhalb der Gewährleistungsfrist denkbar. Den Konsumenten und Konsumentinnen sollte dabei ein Wahlrecht zugestanden werden, die Reparatur durch den Hersteller oder einen dazu befähigten Dritten durchführen zu lassen.

Mehr Rechte für Nutzende, mehr Nachhaltigkeit

Im Zusammenhang mit dem Recht auf Reparatur haben sich auch Zwischenfälle in der Covid-19 Pandemie ereignet. Neben der Automobilindustrie profitieren ebenso Firmen in der Medizintechnikbranche von der Verwendung von VIN-Locks. Insbesondere Medtronic, dem größten Unternehmen in diesem Segment, schlug starkes Missfallen entgegen, als es sein seit 20 Jahren gut verkauftes Beatmungsgerät PB840 VIN-locken ließ, um die eigenen Einnahmen zu erhöhen. Als dann auch noch die Pandemie eintrat und Beatmungsgeräte Mangelware und Zeit gleich Leben wurde, konnten Krankenhäuser und deren Mitarbeiter nicht auf die Ankunft eines von Medtronic gesendeten Servicetechnikers warten, ohne dass dabei Menschenleben gefährdet worden wären. Ein ehemaliger Medtronic-Mitarbeiter aus Polen veröffentlichte daraufhin anonym Klone des firmeneigenen Generators, mit dem Entsperrungscodes generiert werden konnten, und sandte diese an Medtronic-Beatmungsgeräte verwendende Krankenhäuser in der ganzen Welt.

Wem gehören die Daten?

Einen weiteren Diskussionspunkt bilden die durch die Nutzung der Geräte erzeugten Daten. Denn hinsichtlich der Frage, wer Eigentümer der durch die Software generierten Daten ist, herrscht Uneinigkeit. Die mitgelieferte und vorinstallierte Software, die zur Inbetriebnahme erforderlich ist, ist zweifelsohne Eigentum des Herstellers. Nutzerinnen und Nutzer erhalten mit Kauf eines Gerätes lediglich eine Lizenz. Die Daten werden jedoch auch auf die Art und Weise generiert, wie die Nutzerinnen und Nutzer das Gerät nutzen. John Deere sieht sich im Falle seiner landwirtschaftlichen Geräte als rechtmäßiger Eigentümer der Daten und verfährt auch dementsprechend.

Das bedeutet, das Unternehmen verkauft sie an andere Unternehmen oder Private-Equity-Firmen, welche die Information nutzen, um auf dem Futures-Markt (auch entgegen den Interessen der Landwirte und Landwirtinnen) zu spekulieren. Das hinterlässt zumindest einen sehr schalen Beigeschmack.

Der Status quo erscheint also misslich: Es steht aktuell im Ermessen des Unternehmens, wie mit den vom Kunden und Kundinnen generierten Daten umgegangen wird. Ähnliche Fragen stellen sich bei Medizinprodukten und auch bei selbstfahrenden Autos oder generell Fahrzeugen mit Einbauten von Zulieferern, die Daten produzieren (was inzwischen alle tun). In manchen Bereichen helfen Data Act und Data Governance Act, aber die sind – mangels vorauseilenden Brüssel-Effekts – auf amerikanische Hersteller noch nicht anzuwenden.

Das Mindeste, was man von Quasi-Monopolisten des Hersteller- und Reparaturmarktes fordern könnte, ist, dass sie höchste Sicherheitsstandards einhalten, wenn es um die Daten von Kundinnen und Kunden geht. Bei John Deere scheint das nicht der Fall zu sein. (Lisa Maria Riedl, 9.12.2022)