Fast alle haben irgendwann gelernt, dass man es nicht tun soll – und tun es zumindest gelegentlich trotzdem: fluchen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist das auch keineswegs ungehörig. Wie zahlreiche Untersuchungen zeigen, kann der Gebrauch von Schimpfwörtern eine ganze Reihe von positiven Effekten auf uns haben. So kann Fluchen befreiend wirken, die Leistungsfähigkeit beim Sport erhöhen oder dabei helfen, Schmerzen besser zu ertragen. Solidarisches Schimpfen kann sich wiederum positiv auf Beziehungen auswirken.

Der Gebrauch von Kraftausdrücken kann äußerst befreiend sein. Die Hintergründe beschäftigen Forschende schon lange.
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Dass Fluchen auch physiologische Effekte mit sich bringt, wurde in Experimenten ebenfalls nachgewiesen. Erhöhte Herzfrequenz und vermehrtes Schwitzen sind messbare Folgen des verbalen Auszuckens. Neurowissenschaftliche Studien geben zudem Hinweise, dass beim Schimpfen Hirnregionen stärker aktiviert werden, die an der Gefühlsverarbeitung beteiligt sind.

Schimpfwort-Lautanalyse

Die Wirkung eines Kraftausdrucks hängt aber nicht allein von dessen Bedeutung ab, sondern auch vom Klang. Forschende der University of London haben sich nun genauer mit dem Sound des Fluchens beschäftigt – und kommen zu dem Schluss, dass Schimpfwörter in vielen Sprachen ähnlich klingen. Wie Shiri Lev-Ari und Ryan McKay im Fachblatt "Psychonomic Bulletin & Review" berichten, liegt das an bestimmten Lautmustern, die möglicherweise dabei helfen, Emotionen wie Ärger oder Grant besser auszudrücken.

Für ihre Studie befragten die Forschenden zunächst Sprecher unterschiedlicher, nicht miteinander verwandter Sprachen nach den gängigsten und schlimmsten Kraftausdrücken in ihrem Wortschatz. Die Lautanalyse der Schimpförter in Hebräisch, Hindi, Ungarisch, Russisch und Koreanisch ergab ein auffälliges Muster: Sogenannte Approximanten wie "w", "l", "j" oder "r", bei denen ausgeatmete Luft gleichmäßig und ungehindert durch den Mundraum strömen kann, fehlten weitgehend.

Im nächsten Schritt wurden 215 Probandinnen und Probanden rekrutiert, denen Wörter aus anderen Sprachen als ihrer Muttersprache vorgespielt wurden. Sie sollten beurteilen, bei welchen Ausdrücken es sich ihrer Meinung nach um Schimpfwörter handeln könnte. Tatsächlich wurden Wörter mit Approximanten deutlich seltener als Kraftausdrücke klassifiziert.

Ned bös' sein ...

Das bestätigte sich auch in einem zweiten Versuch. Diesmal wurden den Studienteilnehmern fremdsprachige Wortpaare vorgespielt, von denen eines angeblich ein Schimpfwort war, das sie erkennen sollten. Dabei bekamen sie aber ohne ihr Wissen Fantasiewörter zu hören, deren Klang Wörtern aus 20 unterschiedlichen Sprachen entlehnt war. Wörter ohne Approximanten wurden dabei deutlich häufiger für Schimpfworte gehalten.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass nicht alle Laute gleichermaßen für Schimpfwörter geeignet sind", schreiben Lev-Ari und McKay. Das sei ein weiterer Hinweis darauf, dass bestimmte Laute eher mit bestimmten Bedeutungen assoziiert werden und Lautsymbolik auch in diesem Bereich wichtiger sei als angenommen.

Warum Fluchen überhaupt so eine starke Wirkung entfaltet, beschäftigt Wissenschafter schon lange. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Tabuisierung bestimmter Ausdrücke in der Kindheit oder das Verbot, Schimpfwörter zu verwenden, an der emotionalen Verbindung beteiligt ist. Böse gemeint ist Fluchen übrigens vergleichsweise selten – zumindest in Wien. Eine Umfrage in der österreichischen Hauptstadt ergab vor einigen Jahren, dass Kraftausdrücke viel seltener als Kränkung oder Beleidigung eines Gegenübers gebraucht werden, als um sich abzureagieren und negative Emotionen loszuwerden. (dare, 7.12.2022)