Politikwissenschafterin Daniela Pisoiu verlangt in ihrem Gastkommentar, dass das Innenministerium jene Unterlage offenlegt, die als Argument gegen die Schengen-Aufnahme von Rumänien und Bulgarien dient.

Bulgarien, Rumänien und Kroatien sind nach Einschätzung der EU-Kommission, im Bild die für Inneres zuständige Kommissarin Ylva Johansson, Schengen-reif. Österreich teilt diese Ansicht nicht.
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Am 8. Dezember findet die Sitzung des Rates "Justiz und Inneres" der Europäischen Union statt, an dem über die Aufnahme Bulgariens, Kroatiens und Rumäniens in den Schengen-Raum entschieden werden soll. Das ist der letzte, politische Schritt in einem längeren Prozess, der mehrere Berichte der Kommission und Erkundungsmissionen umfasst hat. Im Statusbericht vom Mai 2022, der als "Gesundheits-Check" des Schengen-Raums gilt, wird noch einmal darauf hingewiesen, dass Kroatien, Rumänien und Bulgarien alle Kriterien für eine Aufnahme erfüllen. Am 18. Oktober forderte das Europäische Parlament vom Rat ebenfalls einen positiven Beschluss.

Unerwartetes Veto

Aus technischer Sicht sind Rumänien und Bulgarien bereits seit 2011 und Kroatien seit 2019 für einen Beitritt bereit. Diesmal wurde das Thema sogar auf die Prioritätenliste der tschechischen Präsidentschaft gesetzt. Kurz vor der politischen Entscheidung schockierten der österreichische Innenminister Gerhard Karner und der Bundeskanzler Karl Nehammer mit einem unerwarteten Veto, zunächst für alle drei Länder, dann nur noch für Rumänien und Bulgarien.

Die Entscheidung darüber wurde höchst unprofessionell kommuniziert: direkt über die Presse, ohne die beiden anderen Mitgliedsstaaten konsultiert oder zumindest auf bilateraler Ebene informiert zu haben, sowie basierend auf ungewöhnlichen, obskuren Argumenten. Zum einen wurde das Interesse österreichischer Touristinnen und Touristen angeführt, nicht so lange an der Grenze warten zu müssen – als ob jene, die nach Rumänien und Bulgarien reisen, die stundenlangen Wartezeiten besonders genießen würden. Als zweites Argument wurde der Anteil von 40 Prozent nicht registrierter Migrantinnen und Migranten in Österreich genannt, die über Bulgarien und Rumänien gekommen seien.

Eine Ausreißerstudie?

Die Daten dafür dürften von Handydatenauswertungen und Befragungen von Asylwerberinnen und Asylwerbern sowie Schleppern kommen. Abgesehen von technischen und datenschutzrechtlichen Schwierigkeiten, die mit solchen Erhebungsmethoden verbunden sind, muss eine solche Studie transparent und überprüfbar präsentiert werden: Wie wurden die Daten erhoben, von wem und wie wurden sie analysiert? Immerhin handelt es sich um insgesamt 75.000 nicht registrierte Migrantinnen und Migranten. Zumal es die einzige Studie ist, die scheinbar eine Route über Bulgarien und Rumänien aufzeigt. Im letzten Frontex-Bericht wurde weiterhin die Westbalkanroute als einzige Balkanroute und als die meist aktiv genützte Migrationsroute aufgelistet, vor dem Hintergrund einer gelockerten Visapolitik in Serbien und einer "Weiterwinken"-Politik in Ungarn. Unbekannt sind diese Informationen der österreichischen Regierung sicher nicht, wenn man an die jüngsten Besuche in Serbien und Ungarn denkt.

Österreich ist freilich nicht das einzige EU-Land, das Bedenken hinsichtlich des Beitritts von Rumänien und Bulgarien geäußert hat. Auch die Niederlande und Schweden hatten ihre Sorgen kundgetan, allerdings so früh und sachlich, dass im Oktober und November spezielle Erkundungsmissionen mit Experten aus zwölf Schengen-Ländern und verschiedenen EU-Agenturen in beiden Ländern durchgeführt werden konnten, um die Situation vor Ort zu analysieren. Die Ergebnisse dieser Missionen waren durchwegs positiv. Österreich hat an diesen aber nicht teilgenommen. (Daniela Pisoiu, 7.12.2022)